Don't you? Don't you?
(Carly Simon, "You're So Vain")
Zwischen Fisch, Knoblauch, schwerem Wein und leichten Büchern drängt sich in dieser kunstbestückten Altbauwohnung die CD-Sammlung der Eigentümerin in Auge und Ohr. Simone, eine bekannte Fado-Sängerin, oder Elis Regina und das Zimbo Trio, schöne Jazz-Stücke zwischen Samba und Impro. Dann entdecke ich mitten in einem Wust von "Mädchen-Musik" (Mariah Carey, Elton John, Mozart) diesen Sampler "Natural Woman" (Teil 2). Eine Doppel-CD voller Kram, aber auch Perlen. You're So Vain von Carly Simon, sozusagen die Sheryl Crow der 70er, um mal ein bißchen zu provozieren. Einer der ganz großen Überlieferungen der Popgeschichte, mit diesem markanten Intro und der ganzen Bitternis, die in Text und Stimme liegt. Früher, als ich mich noch für einen Musiker hielt, war das für mich ein Lied ("Song" sagte man damals), das ich einmal im Leben komponiert haben wollte. Einen immergrünen Klassiker. Noch mal den Anfang, bitte.
Ich spule vor, skippen heißt das heute, zu Carole King. "You Make Me Feel Like A Natural Woman", ein Lied, um dazu schwanger zu gehen. Was für Erinnerungen. Bei "You're So Vain" war ich ja schon im Kindergarten. Mindestens. Meine Mutter hat ja außer Daliah Lavi keine Musik gehört, weil sie immer Käsebrote schmieren mußte für die Brut und in ihrem ostpreußischem Ernst keine Musik dabei duldete. Oder später nur "Radio Luxemburg", das muß man sich mal vorstellen.
Merkwürdige Sache also, so Mädchenmusik. Halbstarke Texte voller Sehnsucht, Rache- und Dominanzphantasien, ("Warte, wenn mir der Typ nach Hause kommt") - das Pendant zu den "Ich krieg alle Motorräder und Tussen, die ich will"-Texten der Jungs. Elkie Brooks, Des'ree, Randy Crawford - erstaunlich, was man alles kennt. Vom Radiohören, Barbesuchen in den 80ern (oder wann ich das letzte Mal ausgegangen war). Aber alles großartig arrangiert, nicht dieses uninspirierte ABAB, Mittelteil, Chorus, danke, Fade-out wie heutzutage. Erstaunlich auch, was man sich alles anhört im Urlaub. Freien Willens und in entspanntem Gerne-doch. Wozu man bereit ist. Dinge, die einem daheim niemals über die Türschwelle kämen. Nicht, wenn sie nicht von einem diskussionsverneinenden Spezialeinsatzteam oder liebeshungrigen, rothaarigen Gothic-Zwillingen im Leopardenfelltanga begleitet wären. Und wir halten fest: Dolly Parton ist glaubwürdiger (ein delikater Begriff und nur zu verstehen, nicht zu ergründen) als Whitney Houston. Man hört es schon.
Dawn Penn wummert "You Don't Love Me (No No No)". "Rodigan!" rufe ich begeistert. Rodigan's Rockers auf BFBS, meine liebste Dub-, Dance-Hall- und Reggae-Sendung. Ach, und Aretha. "Darüber habe ich mal gebloggt", entsinne ich mich triumphierend. Dann muß es wohl wahr sein. "The moment I wake up and put on my make-up..." Großartige Schnulzen. Traurig, bockig und eben wunderbar arrangiert. Kleine Gebete in die Nacht. One day I'll fly away...
Auf Carole King laß ich nichts kommen. Da hat sich schon so mancher Mann auf meinem Sofa die Ohren zuhalten müssen.
Ganz höflicher Deutscher und sehr bemüht, ausnahmsweise nicht gleich wieder was kaputt zu machen, gab ich ein tonloses, "Ja, ich fand das alles auch sehr interessant" von mir.
Auch ich, auch ich, und ich hab noch mitgeschnittene Tapes in meinem alten Schuhkarton (Western-Boots, Mitte der 80er), wo Perlen vor sich hinknistern.
Und nein, ich fang jetzt nicht mit John Peel an, ich nicht, ich hab nämlich keine Tempos in greifbarer Weite.
Peel! Ist bald zweiter Todestag, unvorstellbar. Immer noch.
Der Phänotyp wunderbar illustriert von Sven K.