Flitter und Gold

Coal dust on your lungs
A silver tongue for the chosen one
Heavy magnum in your side or a bloody thorn
Skating bullets on angel dust
In a dead sea of fluid mercury

(Siouxsie and the Banshees, "Dazzle")


Ich muß mal wieder üben, diesem Gerät hier fernzubleiben. Lieber rotes Licht an, Tür zur Dunkelkammer hinter mir schließen und ein bißchen in der Trinität der heiligen drei Schalen (Entwickler, Stoppbad, Fixierer) panschen. 1, 2, 3 - schon ist ein Bild geboren. (Reicht leider nicht als Angebot für das schicke Fahrrad von Das Nuf, aber den Versuch war es wert.)

Mehr tun, mehr tun, mehr tun.
Nicht so viel Zeit vertun. In der Fabrik immer dieselben Werkstücke: Horrorzwerge, Romanzenzwerge, Melodramenzwerge. Ich feile, entgrate, bemale und schicke es in die Brennofenabteilung. Ist schon interessant, ja sicher, natürlich. Ich beklage mich nicht. Vielleicht über das Monotone, das Gleichförmige, ein wenig auch über das Belanglose. Aber es kann ja nicht jeder alle Tage Gehirne operieren oder offene Herzen. Waisenkinder pflegen oder Brunnen in Wüstenregionen bauen. Ich mache halt Tand. Glitter. Katzengold. Abends will der Mensch ja gerne etwas Schönes im Vorgarten sehen. Sich ablenken, entspannen, Kräfte sammeln. Und manchmal - das darf jetzt aber keiner wissen - baue ich subversive Botschaften ein. So was wie "Charlie, ruf mich in London an!" oder auch komplette Transkripte.

Draußen gellen die heiseren Rufe der Krähen bereits lauter. Zeit schon mal, den Nachruf zu schreiben auf diesen Sommer, der so lang war und heiß. Zeit vielleicht auch, ihm gen Süden zu folgen, der Neige entgegen, und mitzunehmen, was er zum Schluß noch verkauft.

Homestory | 13:37h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
bartleby - Mittwoch, 9. August 2006, 15:36
Ey, Herr Kid, was Sie alles so entwickeln können?! Da fällt ja fast, das eigene Ill ford & man gesundet wieder am Tetenal.

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kid37 - Mittwoch, 9. August 2006, 18:10
Sehr gut. Hier waren tatsächlich Ilford & Tetenal am Werk. Zeit, eine kurze Gedenkminute für das gute Agfa-Papier einzulegen. Abverkauf nur noch so lange Vorrat reicht. Eine Schande.

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bartleby - Mittwoch, 9. August 2006, 22:53
Ich habe Jahre lang im Dunkeln gekammert, bin mit der EntwicklerDose in der Hand lange Flure auf & ab geschlendert und habe aus den Ilfords das letzte Quäntchen Empfindlichkeit mit ruhiger Hand heraus geschüttelt. Bevorzugt B/W und dann handcoloriert mit japanischen Kaligraphiepinseln … heute alles digital & ich freue mich schon auf den bereits bestellten neuen Mac pro G5. Aber ohne die handwerkliche Erfahrung am Vergrößerer könnte ich den Photoshop gar nicht so recht nutzen.

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ana - Mittwoch, 9. August 2006, 17:07
Auch wenn die Arbeit in irgendeiner Art von Gartenzwergfabrik vielleicht manchmal anstrengend oder monoton und langweilig zu sein scheint, brauchen sie die meisten von uns vermutlich weit mehr als sie sich das eingestehen wollen. Viele sind wahrscheinlich im Laufe des Lebens zu Eseln geworden, die es gelernt haben, ihre Last in der Gartenzwergfabrik mit Liebe und gerne zu ziehen. Fällt sie, die Last, eines Tages aus irgendwelchen Gründen weg, entsteht gar nicht das schöne Gefühl von Freiheit und Abenteuer, sondern nur ein großes Loch, der Horror vor der Leere. Da hilft es auch nichts, wenn einem die Gartenzwergfabrik, ohne dass man zum Bemalen oder entgraten erscheint, einem brav den Lohn weiterbezahlt.

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kid37 - Mittwoch, 9. August 2006, 19:01
Mir würde im Zweifel keiner Geld hinterherwerfen. Daher muß ich immer wieder einmal auch andere Karren ziehen. Vorteil und Nachteil zugleich. Derzeit bewerbe ich mich mit einem Exposé für meine erste grundeigene Gartendeko (immer in fremden Gußformen rumstochern bringt einen ja nicht weiter).

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novesia - Donnerstag, 10. August 2006, 14:18
Ui, spannend, da freut man sich doch schon auf die Dinge, die da kommen werden :-)

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kid37 - Donnerstag, 10. August 2006, 16:22
O.T.: Frau Novesia, Sie haben doch wohl nicht den Ausknopf gedrückt?

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novesia - Donnerstag, 10. August 2006, 18:20
Doch, es ist irgendwie vorbei mit la folie. Größtenteils zum Glück, muss ich wohl sagen, rein psychologisch betrachtet... ;-)

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kid37 - Donnerstag, 10. August 2006, 20:43
Bedauerlich, möchte ich sagen. Rezeptionsästhetisch betrachtet.

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ana - Mittwoch, 9. August 2006, 20:31
Wahrscheinlich kann man einen Esel, der täglich eine volle Futterkrippe hat, schwer verstehen, wenn er jammert, er habe möglicherweise seinen Mühlstein nimmer mehr.

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