soll dein Mal gesegnet sein
ist gut kochen lernen.
(Sprichwort)
Von allen spontanen Menschen dieser Erde bin ich sicher nicht der allerspontanste. Manche Dinge müssen reifen, und ehe ich mich auf eine Expedition begebe, werden Wege wohlgeplant. Karte, Kompaß und für den Fall des schlimmen Falls eine Schwimmweste - so ausgerüstet breche ich auf und bin dann nicht mehr aufzuhalten.
Be prepared! lautet ein Wahlspruch meiner Familie, deren Vorfahren einst im napoleonischen Gefolge in den sumpfigen Regionen Osteuropas hängenblieben, aber immer genau wußten, wo sie waren. Auch waren meine Ahnen stets erfindungsreich, vor allem die Männer (die Frauen hielten das oft und völlig zu unrecht für "Spielerei"). So war es einer meiner Altvorderen, der den Mittagsschlaf für Erwachsene erfunden hat. Leider wurde der gutgläubige Alte aber, bevor er zum Patentamt eilen konnte, von einem Spanier bestohlen. Der Rest ist Geschichte und die Siesta ein teurer Importartikel.
Neulich war es an mir, unwegsame Gefilde zu beschreiten. Es schien mir eine prickelnde Herausforderung, auch mal neue Wege zu gehen, als ich neulich morgens erwachte und auf das Leinentuch über meinem Bett blickte, mit dem eingestickten Spruch: "Käsebrot, Käsebrot - laß ich nicht liegen ohne Not". Aber manchmal kann man ja auch mal spontan sein, einen draufmachen, fünf gerade sein lassen, und den wilden nackten Küchenchef markieren. To go, where no man dared to go before! Aber natürlich nicht ohne meinen Plan. Was der Schneiderin der Schnittmusterbogen und dem Bahnreisenden der Fahrplan ist dem Küchenmaestro das Kochuch. Mir jedoch jagte Marguerite Patten mit ihrem Werk Cookery in Color: A Picture Enzyclopedia for Every Occasion Schauer der Erregung über den Rücken. Für nur 1 Euro im Antiquariat erstanden, wird es mich nun begleiten, Mahlzeit für Mahlzeit.
Köche, so lehrte mich nämlich das Leben, haben nicht nur immer Sahne im Haus, sondern auch Schlag bei den Frauen. Und das habe ich jetzt auch.
Zwar ist das Werk schon etwas älter, es stammt aus dem Jahr 1964, als die Beatles gerade mit "Eight Meals A Week" die Spitze der Charts erklommen. Aber ein anderer Wahlspruch meiner weitverzweigten Familie lautet "Alte Suppe rostet nicht", und so bin ich frohen Mutes, was den Erfolg meiner Speisen angehen wird. Ms. Patten erklärt erst einmal ganz genau, was es mit Boiling, Braising, Poaching und Stewing auf sich hat, und macht dann mit der Aussicht auf "many very unusual dishes" gleich Lust aufs Loslegen.
Nur kurz empfand ich Sorge, als mein Blick auf die englischen Maße fiel, die in diesem Buch benutzt werden. Aber als höfliche Britin nimmt einem Ms. Patten schnell alle Ängstlichkeit, was das Umrechnen angeht. "For practical purposes", so schreibt sie, entsprächen zwei amerikanische Maßbecher dem britischen Pint. Und was französische Maße anginge, nun, auch da hat unsere legere Köchin eine hoffentlich wohlbegründete Meinung: "It is difficult to convert French measures with absolute accuracy". Eine entspannte Frau, ganz nach meinem Geschmack, deren Leitworte offenbar die folgenden sind: "This is an approximate guide only."
So unbekümmert also frisch an die Vorspeisen: "Without spending a great deal of time or trouble you can assemble a very interesting selection of foods for hors d'oeuvre" - interessant, interessant! Rollmop Herrings ("Use large herrings") halten sich nach Ms. Pattens Rezept drei bis vier Wochen. Das ist fein, hat man doch immer was im Haus, wenn überraschend Gäste kommen. Die Suppen überspringe ich, auch wenn "Mint Pea Soup", nun ja, interessant klingt. Mir ist aber mehr nach einem Hauptgericht, meinetwegen auch eher geschätzt zubereitet denn präzise.
Fleisch in allen Aggregatzuständen, angereichert mit Dosenobst, Fett und minzigen Saucen - und alles in Bergarbeiterportionen. Soll noch mal einer behaupten, die englische Küche machte Blogger nicht satt! Wild, Geflügel und die glückliche Kuh: Ms. Patten weiß, wo selbst fürs Lämmchen der Hammmer hängt, verschont aber auch nicht die Vegetarier: Gemüsepasteten werden hier zu turmhohen Essdenkmälern geschichtet. Ein wenig ab vom Wege komme ich, im Brutterbot Sandwich-Kapitel. Tolle, leichte Schnitten für hungrige Mäuler, da läuft einem doch gleich die Mayonnaise im Munde zusammen.
Fluffige Süßspeisen in aufmerksamkeitsheischenden Farben gibt es zum Nachtisch im Kommentar.
Leicht & süß für jede Party
Bunt und rund ist oft gesund
Ja, damals, da rieben sich beim bloßen Anblick dieser süßen Köstlichkeiten die Zahnärzte schon die mit in der Nase beißender Flüssigkeit desinfizierten Händchen und träumten von der nächsten Yacht....
Sie kennen das Projekt "Mastering the Art of French Cooking"?
http://blogs.salon.com/0001399/2002/08/25.html
Wie wär's damit?
Sie wissen, dass ich Ihr Schönschreiben sehr schätze … S(ch)ätze, die anlässlich der Gräuel & ihrer Sanktionierung durch die Staatengemeinschaft die frische Farbe verlieren, da nicht im (und durchs) Eiswasser der (dialektischen) Vernunft abgeschreckt.
Mehr HinGuckeri als AbCookery. Zu Lafer, Davidis & Clemens Wilmenrod im Blog sag' ich zurzeit lieba: "Non!" ... & versuch' mir auf's GANZE einen aufSTÖRenden Reim zu machen ...
Weltpolitik? Westpolitik? Cui bono? Ich lese regelmäßig Lisas Letters from Rungholt und blicke doch nicht weiter als bis zu den Rändern persönlicher Erfahrung. Ich lese Watching Beirut Die und frage mich, welche Aussicht eine Zukunft hat, die immer wieder zerstört wird. Doch selbst ein Blick auf nackte Zahlen gewährt keinen tieferen Einblick - die Särge sind zu.
Warum ist aber nicht der Hungertod im Sudan Thema der Welt- und Blogpolitik? Oder die gefährdete Pressefreiheit in Tschetschenien. Auch die schwierige Gewerkschaftsarbeit bei Lidl&Schwarz wäre ein Thema, und läge sogar gleich vor unserer Haustür.
Allein, ich glaube, nicht jedes Blog muß sich auf jedes Thema stürzen, die Empörungsflagge schwenken und meinen, meinen, meinen. Ich koche derzeit still vor mich hin, lasse Dampf ab und studiere die mir fremde Kultur des ziselierten Essens.
Der Leser wird es ähnlich halten, sich Blogs suchen mit den Themen, die ihn gerade berühren und mitreißen. Darin liegt allerdings ebenfalls etwas Typisches: Affirmation und Selbst-Plaisir. Zappen statt Aushalten. Warum auch nicht. Krieg oder Küche - man gewichtet jeden Tag neu, und stellt - die Postmoderne macht es möglich - WM neben Bagdad und Hitzewelle neben die verbrannten Zedern des Libanon. Aber wer weiß, vielleicht wird man nicht gleichgültiger deshalb, sondern nur weniger manipulierbar, weil man eben nicht alles dem einen großen bestimmenden Thema und der Tunnelperspektive unterwirft.
Ich biete mich aber an, ebenfalls aufs Ganze zu gehen und die kriegerischen Parteien mit meinen approximativen Rezepten zu bekochen. Das garantierte immerhin drei Tage Waffenruhe.
So wichtig es ist, als soziales Ritual, gemeinsam Dampf abzulassen, sehe ich derzeit keinen Sinn, in der allgemeinen Kakophonie der Empörung und dem allzu wohlfeilen Meinungsgehaue nun auch noch mein Fähnchen zu schwenken. Man muß über allem seinen Senf ausdrücken. Lesen (Links stehen weiter oben), nicht Schreien. Weitermachen.
Sie haben doch alle Recht, meine Herren - ganz unbestritten Recht - aber bemerken Sie denn nicht, dass wir dabei sind, dieses "Recht" zu diskutieren. Bleiben wir im Wort: "Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch" … in diesem Sinne bin ich 'emphatisch' barbarisch.
Letztmals Herr Mark: Mir ist bewusst, dass kein Satz die Gräueltaten verhindert. Ich versuche mich lediglich gegen die mediale Aufbereitung der Ereignisse zu wenden. Und dies ist ein sehr persönlicher, psychohygienischer Versuch, barbarisch noch ein wenig weiter schreiben zu können.
Und?! … Herr Kid … Kochen hat für mich etwas kontemplativ Erbauliches. Ich lernte es bereits mit 8 Jahren am riesigen KüchenKohleHerd meiner Großmutter - daher auch die "Davidis" - ein Exemplar von 1904. Nicht über Stunden zu kochen, um dann lustvoll zu essen, weil's andere gibt, die Hungers sterben, wäre ähnlich abstrus, wie nicht zu ficken, weil's Millionen Impotente gibt. Von den Impfrigidinnen nicht zu schweigen. Beim Kochen geht's mir ähnlich wie mit der Berichterstattung über Kriege - ich mag die Form der medialen Darstellung nicht! Aber ich goutiere Lammnieren in feiner Rosmarinsauce nicht nur am Bloomsday.
Ansonsten: Mir gefällt die mediale Aufbereitung nämlich auch nicht ("... und wer daran schon wieder verdient" Fehlfarben), ich stehe davor so ratlos wie sonst nur in meiner Küche. Ihnen, Herr Bartleby, aber zum Troste: die Blogger verstehen sich untereinander alle nicht. Was allein schon die Welthaltigkeit dieses Mediums beweist.