Haben, nicht halten

Now there's no point in placing the blame
And you should know I suffer the same
If I lose you
My heart will be broken

(Madonna, "Frozen")

Als ich dich suchte, als ich Lichter sah und Klänge und die Schrittfolgen auf den glänzenden Böden. Diese Tage, als ich nicht wußte, war es der Hunger. Oder nur Durst. Diese Tage als ich Augenpaare sah und weitere Augenpaare. Auge um Auge, sehend suchen, Sehnsucht, aber nie mehr das, was ich in dir suchte.

Ich traf dich in den dunkleren Straßen der Stadt. Ich traf dich auf dem Boden des Ozeans. Ich traf dich in den Tiefen schwarzer Bunker und am Ende von irgendwas. In Lärmgewittern, dort wo die Wogen an den Strand schlagen und Herzen sich öffnen. Auf der anderen Seite der Stahltür sah ich dich, getragen von verwehten Bassdrums und Tinitusfiepen, zwischen langen Haaren und den Trümmern der letzten Party.

Auf den Lippen der Geschmack schaler Getränke, auf der Haut keine Küsse, nur Schweiß der Tänzer, die klebrige Schicht verstreuter Tränen. Süßes Parfüm, gehauchte Erinnerung, gehauchtere Worte, ein Flüstern, kurz bevor die Woge herabbricht - der lautere Klang, die tieferen Bässe, die giftigeren Gitarren, das härtere Schlagzeug. Alles verschluckend, in Echos wandernd von tief unten nach noch tiefer unten. Zur Herzschlagfrequenz.

Im Dunkeln, einst, faßtest du meine Hand. Wir suchten, getrieben, getragen vom pulsierenden Rhythmus, ein enger Tunnel durch Trockeneis, zuckendem Licht. Ich wußte, ich kannte dich von irgendwo.

Wenn das Ohr nicht mehr hört, nur noch die Haut, wenn die dummen Worte, meine, nur noch Klang sind und keine Klage. Und immer richtig.

Wie alt sind wir geworden? Was wird uns heute noch wichtig sein? Ich schreibe deinen Namen, fein addiert. Mal um Mal, hundert mal. Haben, nicht halten.

The Mercy Seat | 02:00h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
calla - Dienstag, 25. April 2006, 02:10
vorbei.

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ana - Dienstag, 25. April 2006, 15:35
Ist es der Hunger oder nur der Durst?
Ich frage mich, ob und warum wohl die Formulierung Hunger haben, statt Durst haben metaphorisch öfters benutzt wird. Eigentlich ist uns der Durst das wohl vertrautere Gefühl - das sich nach dem Tanzen oder nach dem Sport oder der Liebe ereignet. Richtig Hunger hat man vergleichsweise selten, eher Appetit. Trotzdem denke ich, es heißt meistens hungrig nach ... und weniger durstig nach ... , obwohl der Wasserverlust für den Körper das unmittelbar Bedrohlichere ist.
Ansonsten ist mir beim Lesen eine Zeile Hölderlins eingefallen.
... und immer gehet eine Sehnsucht ins Ungebundene....
Zudem eine zweite: Und vieles auf den Schultern wie eine Last von Scheitern ist zu behalten ..

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luise - Dienstag, 25. April 2006, 19:13
Schwimmen, nicht untergehen.

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ana - Dienstag, 25. April 2006, 20:54
Auch wenn man im ästhetischen Geschmack zwischen Ironie und Pathos pendelt, sollte man sich rein lebenspraktisch gesehen lieber an Heine als an Hölderlin orientieren. Von daher ist Schwimmen allseits angesagt.

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kid37 - Dienstag, 25. April 2006, 21:43
Dem schließe ich mich an. Auch wenn mich manchmal das Gefühl beschleicht, ich säße schon im Turm (von der "Hälfte des Lebens" und solchen Dingen ganz abgesehen), ist der hein'sche Ironieweg der bessere.

Immer weiterschwimmen, also.

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c17h19no3 - Dienstag, 25. April 2006, 22:17
man muss bei schwimmen aber auch mal atem holen. und manchmal tauchen, bis das salzige sandig wird. und auch der ein oder anderen qual(le) ausweichen. ;) vielleicht findet man ja irgendwann wieder ein inselchen.

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kid37 - Dienstag, 25. April 2006, 22:48
The trick is to keep breathing...

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luise - Dienstag, 25. April 2006, 23:48
... wusste schon Gimli der Zwerg.

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reyamm - Dienstag, 25. April 2006, 23:14
hands out of nowhere
saving me again
there's always something there watching out for me
if I'm suffocating it gives me air

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