Der Dom ist weiträumig abgesperrt, und auch der flehentliche Appell "Ich bin Blogger, bitte lassen Sie mich durch" bringt kein Erweichen in die grimmigen Gesichter hinter dem rotweißen Gitter. Dabei sind noch Plätze frei, wie der Blick ins Fernsehen beweist. (Interessant, wenn man zwischen Erstem und Zweiten hin- und herschaltet. Beide senden live, aber um fünf Sekunden zeitversetzt. Man möchte darüber denken, was Unmittelbarkeit wohl heißt.)
Die Rede vom Weggefährten rückt gerade, was manche nur bespötteln. Meist die, für die alles nur noch Pose ist. Der andere Weggefährte, selbst gezeichnet, döst. Kein Grund, wie ich meine, solche Bilder auszuschlachten.
Am Ende ein interessantes Bild: im Hintergrund die bronzene Haut vom Palast. Heute ruhen die Abrißarbeiten. Davor, die Stufen der Treppe hinab, langsam der Sarg, darauf die Fahne. Da gehen sie, die letzten Vertreter der alten Republik.
Ich verfolge diese zeremonialen, ausgestalteten Beruhigungs- aber auch dionysischen Riten seit etwa 76. Es werden stets Körperöffnungen & Kohabitationsszenen dar- & nachgestellt. Das wundert kaum, da die Zeremonienmeister - unbedarft & einfachen Gemüths - von der Symbolgewalt des Archetypischen notwendig überwältigt werden. Sie, ein Kulturwissenschaftler, werden's nachschmecken mögen. Aber wer liest heute noch Groddeck?
Ich habe mich weitaus banaler im Anblick von Pomp, Planung und Zirkumstanzen gefragt: Was passiert eigentlich, wenn bei diesem Nieselwetter in Berlin der Motor des Leichenwagens nicht anspringt?
Allerdings hat mich die Düsseldorfer Kunstakademie einst abgelehnt. Vielleicht wäre das anders gelaufen, hätte Beuys sich durchgesetzt. Ich bin aber nicht nachtragend.
Doch nur das, was die Kameras einem zeigen wollen. Der Tote bleibt tot, die Braut sieht toll aus und heult, der Bräutigam sieht ernst und zum Heulen aus, die unbekannten Hinterbliebenen/Verwandten sitzen da und spielen Publikum.
Am interessantesten sind noch die Gemäuer, in denen getraut oder getrauert wird. Wann kommt schon mal der Berliner Dom im Fernsehen? Obwohl - der Dom ist nach der Erinnerung des Autors eher groß als schön
Was sieht man eigentlich, wenn man ein Fußballspiel im Fernsehen sieht? Der Ball bleibt flach, den Schiedsrichter sieht man mal von nahem und die unbekannten zahlenden Fans spielen Publikum. Ja sicher, so ließe sich eine Medienkritik aufziehen.
Wir werden nicht überall selbst "dabei" sein können. Ich schaffe es nicht mal zum Heimspiel von St. Pauli und beim Staatsakt ließ man mich nicht durch. Dazu kommt: Johannes Rau war mir nicht fremd. Und die Rede von Hans-Jochen Vogel, die ich deshalb im Fernsehen sah, sehr beeindruckend.
Solche Rituale sind wichtig. Momente des Innehaltens. Ich bin aus dem Alter raus, alles dumm und albern zu finden.
... da bin ich froh drum!