Pray the Lord my soul to keep
Kiss to kiss and breath to breath
My soul surrenders
Astonished to death.
(Patti Smith, "Frederick")
Auch 2006 soll eine gute alte Tradition nicht unterbrochen werden. In der locker-frivolen Reihe Mit toten Tieren durch das Jahr eröffnen wir den Reigen 2006 mit der Möwe. Das fröhliche Tier (hier möglicherweise ein Exemplar der Larus ridibundus im Winterkleid) gehört neben den Katzen zu den beliebtesten Tieren innovativer Bastler und anderer Exzentriker. Diese hier ist nun tot. So offenbar wie bedauerlich. Ausgepumpt, das kleine zagende Herz. Verweht die gefiederte Seele. Mit tränenfeuchten Augen, eine offene Schale voller Kümmernis schaut man es an: ein Demento mori.
Manche Diskussionen enden so. Auf einmal beugt man sich und sieht zu seinen Füßen den toten Punkt. Und ahnt: diese Sache fliegt nicht mehr. (Flieg nicht so hoch, mein kleiner Freund!) Adé, Nestbau, kein Ei wird hier je gelegt.
Immerhin: eine weitere Metapher zu Tode geritten. Kann man da auch einen Haken dranmachen. Und so begrüßen wir mit einem ungehemmten "Hiaaarrrr" die frische Saison und wälzen neue Pläne. Sturmerprobt wie diese Vogelart drehen wir den gierigen Schnabel in den Wind, lassen freifliegende Ideen im hauseigenen Guano wachsen und sind überhaupt - wie stets - nur guter Dinge.
Dem ein oder anderen rufen wir ein freundliches "Hallo" über den Gartenzaun oder drohen schelmisch mit der Forke. Denn ist der Schnee erst weggetaut, fliegt alles auf.
Ich zeige ja nur die lyrischen, die schönen Exemplare. Stumpfer Schock liegt mir fern. Schauen Sie nur, sachte vielleicht, wie sich die eine Schwinge noch reckt, als würd' das Tier zum Flug gleich ansetzen.
Eight Miles High, vielleicht.
Nun habe ich keine Ophelia, in deren roten Locken ich spielen und der ich den kalten Schnee von den eisigen Zehen küssen könnte. So muß der Totem Vogel (ha!) zum Trichter meiner Sehnsucht werden.
(Beachten Sie übrigens, wie sich der blauschwarze Rabe vom letzten Jahr in die heller gefiederte Möwe transformiert hat. Die Auguren deuten lichtere Momente!)
Vielleicht teilte ich ja zu Olims Zeiten den nibio (nibbio = Milan) mit Leonardo, den Freud in (s)einen Geier meta-phorisierte?! Und da ich diesen wohl anders abwehren musste als Leonardo, lebt/liebt er gefiedert tot in mir weiter. Die Feder, der Federstrich, der FüllFederhalter, das Schreiben … der Fader … to fade … das ekliptische Subjekt. So ungefähr(lich) flieg' ich - bis ich mit gespreizten Flügeln stürze.
Aber hier soll es mehr Totems und weniger Tabus geben. Und sie haben recht: Mit der Feder wäre noch was zu machen gewesen. Dieser Vogel ist nicht tot, sondern ein Leichnam voller Möglichkeiten: Ungeschriebene Geschichten, die sich früher wohl den alten Frauen beim Geflügelrupfen am Kamin einflößten.
Die hat es überstanden genau wie dieser
http://hands.antville.org/stories/626948/ vom 18.dezember zweitausenddrei (sic!) und jener http://hands.antville.org/stories/766638/
vom 25. April 2004.
Jedenfalls, das neueste Sammelstück - und diesmal nicht eingelegt - ist ein nackter Katzenschädel (an den nun ein Schnurrhaare einer allerdings noch lebendigen Katze geklebt wurden, welche diese mal verloren hatte). Sie, also meine Freundin, hatte nämlich um Weihnachten im Schnee einen schon ziemlich angenagten Katzenkadaver gefunden, diesen bald vom Weiß befreit und schließlich das kleine Köpfchen abgetrennt und die restlichen organischen Überreste daran abgekocht; nicht ohne zuvor natürlich noch mal das Ex-Tierchen in seiner ganzen bizarren Pracht fotografiert zu haben.
Diese Fotos finde ich auf eigentümliche Art sehr sehr hübsch, allerdings eben auch problematisch dahingehend, weil da halt Freund Verwesung schon seine Spuren hinterlassen hat. Deshalb, bevor ich die Bilder hier poste, erstmal die Nachfrage, ob dahingehend überhaupt Neugier besteht? ;-)
Grüße
Thomas
Rogue Taxidermists vorbeischauen. Eine sinnlich-ironische, aber würdige Fortführung der Wunderkammer.
"Bizarre Pracht", das ist das Wort dafür. Das Leben ist halt auch im Tod präsent. Allerdings ist das nicht leicht zu vermitteln, das stimmt schon. Früher an der Uni haben wir Knochen vom Schlachthof abgekocht, alles für die Kunst, natürlich. Das ist mir heute zu gewollt. Aber das Tödlein im Haus, neo-barock, lehrt Demut und Respekt.
Bevor ich gleich wieder von 20 Blogrolls geschmissen werde (Frau Schwadroneuse beobachtet mich gerade), würde ich im Hinblick auf das ein oder andere zartere Gemüt, das sich hierher verirrt, die Fotos gerne erst sehen. Ich könnte die dann hinter einen Link setzen, man wird im Alter ja immer