Maus im Haus


Taxidermisches Präparat einer Maus, um 1900

Es begab sich ja so, dass ich begonnen hatte, gewohnheitsmäßig Erdnüsse in meiner Manteltasche mitzuführen. Ich wollte mir die große Krähenkolonie am alten Schwimmbad zum Freunde machen. Sachte angefüttert würden sie mich als "duften Typen" in Erinnerung behalten, und das ist ja nicht nichts im Leben.

Stand dann aber eines Morgens im Halbdunkel meiner Garderobe (ein weiterer Grund, sich weitgehend uniform anzuziehen) vor einem detektivischen Rätsel. Die Tatortlage zeigte sich zunächst wie folgt: Auf dem Boden merkwürdiges, braun-gelbes "Mehl" unklarer Herkunft. Eine solche Spur führte auch zwischen Mantel A und Mantel B entlang bis zur Seitentasche von Mantel A (Beweisstück anhand). Dortselbst ein kleiner Beutel mit besagten Erdnüssen.


Fotografie einer Krähe, die einem Mann mit Erdnüssen auf der Landstraße folgt, um 1900 [Symbolbild]

Als erfolgreicher Detektiv habe ich natürlich einen einprägsamen Spruch als Erkennungsmerkmal, so wie "Kombiniere!" oder "Elementary!" oder "Is that a mouse in your pocket or are you just happy to see me?" Meiner lautet "Nanu?!" oder so sagte ich "Nanu?!" und begann, die Indizien zusammenzubringen. Zunächst, man soll immer mit dem Wahrscheinlichsten beginnen bei der kriminalistischen Arbeit, schloss ich rasiermesserscharf, dass mich eine Krähe wohl derart als "duften Typ" identifiziert hatte, dass sie mir gefolgt, sich vielleicht in die Manteltasche geschmuggelt und danach im Schutze der Nacht (meine Garderobe ist dann komplett dunkel) den Diebstahl begangen hat.


Fotografie einer Krähe, die Erdnüsse auf einer Anrichte pickt, um 1900 [Symbolbild]

Nun heißt es aber, dass man, ehe man etwas zur Anzeige bringt, die augenscheinlichen Fakten noch einmal ruhig mit dem anderen Auge betrachten soll. ("Wenn du das eine Auge hingehalten hast, so sollst du aber auch das andere hinhalten". Handbuch der Detektive, Bd. II. Um 1900.) So kam ich zu einem anderen Schluss: Eine Maus muss der Täter sein! Es ist ja so, seit die nicht mehr urheberrechtgeschützt ist, findet man sie plötzlich überall. Das Szenario musste sich also folglich, wir beginnen wieder mit dem Wahrscheinlichsten, derart abgespielt haben: Ähnlich wie im berühmten Film Rififi (F 1955. R: Jules Dassin) hat sich eine Maus vom Dachboden aus ein Loch gebohrt und mit einem Regenschirm herabgelassen (fotografische Nachempfindung anbei), die Beute in der Manteltasche verzehrt und "flitzeflink die Biege gemacht", wie man in den 1950ern so sagte.


Fotografie einer Maus, die sich mit einem Regenschirm von der Decke herablässt [nachgestellte Szene]

Eine andere Möglichkeit, denn "I want to believe", wie der Sinnspruch eines anderen berühmten Kriminalermittlers lautete, war natürlich auch folgendes Szenario: Eine extraterrestrische Mausspezies hatte mich mit einem kleinen UFO verfolgt (möglicherweise hatte ich es für eine handelsübliche Spielzeugdrohne gehalten und nicht weiter beachtet) und sich unbemerkt (oder per Teleportation, warum nicht) Einlass in die Wohnung verschafft. Der Rest folgelogisch: Traktorstrahl auf die Erdnüsse, Sofortverzehr, Abflug.


Fotografie einer Maus in einem kleinen UFO, um 1900 [Symbolbild]

Hier aber: Kevin allein mit Maus, Trutzburg Leuchtturm am Rande der Stadt infiltriert, höchster Alarm am Vorratsschrank! Mit Taschenlampe und Vergrößerungsglas begab ich mich auf Inspektion und fand dann auch ein Loch in der Wand unter der Spüle, wo die Abflussrohre in die Abseite führen. Das machte die Theorie mit dem UFO und dem Regenschirm obsolet, übrig blieb die Hypothese vom gewöhnlichen Räuber, der auf vier nackten Pfoten durch die Stube schlich. Statt aber mit Nachtsichtbrille und Schmetterlingsfangnetz auf der Lauer zu liegen (dann auch noch im Dunkeln), entschloss ich mich zur Fallenstellung.


Fotografie einer Maus auf einer selbstkonstruierten Falle mit komplizierter Auslösemechanik, um 1900 [nachgestelle Szene]

Wie ein Inspektor Murdoch aus der nach ihm benannten Serie (ebenfalls berühmter Detektiv) tüftelte ich eine kleine Konstruktion mit Feder und Mechanik aus, bestückte die Köderbox mit Erdnüssen, selbst angerührtem Schokoladenmus, Grana Padano von Feinkost Luigi (Käse wird zu schnell trocken, das lockt nicht) und wartete auf das Klingeln der kleinen Alarmglocke, die ich an die Falle montiert hatte. Allein: kein Erfolg. Nacht um Nacht lauschte ich mit einem Ohr (das andere schlief), nichts. Tagsüber umwehten mich mittlerweile hypersensibilisiert immer mehr Maus-Anspielungen. Im Fernsehen lief Tom & Jerry, in einer Dokumentation sang ein mittlerweile verstorbener berühmter Schlagersänger von "Speedy Gonzalez" ("die schnellste Maus von Mexiko", wie wir wissen), überall nur Maus! Maus! Maus! überall biss die Maus einen Faden ab - nur bei mir nicht. Ich schien dem Wahnsinn nahe, aber das wäre ja nicht... nicht rational, nicht logisch.


Fotografie einer auffällig dunkel gekleideten Maus [Symbolbild]

Gerade als ich dachte, diese "Maus" existiere vielleicht nur in meinem Kopf und es sind doch die Krähen, die mich "gaslighten" wollen, begegnete ich ihr Auge in Auge und unvorbereitet in der Küche. Ich glotzte, sie glotzte, ich war irritiert von ihrem merkwürdig dunklen Mantel (mittlerweile denke ich, es war wohl doch nur eine dunkle Fellzeichnung) und vergaß darüber, zu einer Waffe zu greifen und eine Ingewahrsamnahme einzuleiten, inklusive Rechtsbelehrung und Hinweis auf das Aussageverweigerungsrecht. Schon war der feige Nager flink wie Speedy Gonzalez unter der Spüle verschwunden.

Nun war Schluss mit lustig: Ganz wie in einer Erzählung des Polizeireporters E.A. Poe griff ich entschlossen zur Spachtelmasse, summte ein Lied, in dem es um ein Faß Amontillado geht, und verschloss Schicht für Schicht, gleichwohl mein linkes Auge dabei merkwürdig zuckte, das Loch in der Wand, lachte dabei wohl auch, sprach "Nanu, nanu, nanu" und lobte mich, dass ich den Fall so rational wie sonst kein anderer gelöst hatte.

Homestory | 19:37h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
samojede - Montag, 4. März 2024, 14:35
Jagut aber w a s ist aus sogenannten Marder geworden??

Nacht um Nacht lauschte ich mit einem Ohr (das andere schlief)
Will da nichts relativieren, aber geht bei mir seit je her so. Vielleicht ist nur der Hund noch wachsamer als ich. ...& Sie. Alles nicht" leicht ................

















👂

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kid37 - Montag, 4. März 2024, 15:06
Pest Control
War lange Ruhe auf dem Dachboden, aber dann ging das Gekratze wieder los. Hab's dann einem Fachmann übergeben. Weiß nicht genau, was der gemacht hat, vielleicht Schilder aufgestellt ("Nachruhe ab 22:00 Uhr unbedingt einhalten!"). Wäre möglich. Ist jedenfalls *klopaufholz* Stille seither. (Vielleicht war das eine Scout-Maus, die die Lage eine Etage tiefer checken sollte.)

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samojede - Montag, 4. März 2024, 15:58
#klopfauchaufholz auch dafür, daß der kleine Marder nicht Hals umgedreht hat.
Man floskelt ja, man hat nur so lange 1 Problem bis 1 größeres kommt. Vielleicht war dafür der Marder da und dann die Mouse, wo noch 1 drauf gesetzt hat..... Hoff einfach nur als nächstes kommt kein



( )Taubenschlag
( ) Kakerlake
( ) Wespennest









🐷

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kid37 - Montag, 4. März 2024, 17:08
(x)Taubenschlag
( ) Kakerlake
(x) Wespennest

Eine Taube (zum Glück nicht eine vom glückseligen Ringeltaubenpärchen, das seit Jahren im Baum im Hof sitzt) wurde heute Nacht im Hof geschlagen. Vielleicht vom Marder! Federn und Kadaver, wenig heiter. Mit den Wespen ist das hier ja ein Kommen und Gehen unterm Dach. Letztes Jahr hatte ich mal wieder ein großes Nest direkt unter dem Fenster meiner Kammer, in der ich auch mein Feldbett stehen habe. Ich konnte das Fenster nicht putzen! Möglicherweise halten Wespen aber auch Kakerlaken fern, die möchte ich nicht. (Hab mal einen Film gesehen, da machten die immer so Zischgeräusche.)

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samojede - Montag, 4. März 2024, 17:25
Bitter für die Taube. Sind ja vom Ansehen her die Schweine der Lüfte¹ sagt man....
Richtige Zoo bei Ihnen. Hatten Sie auch schon Ameisenstr.? Soll auch nicht leicht sein. Hatte mal 1 Ehemann (der 7.), er hatte Ärger damit. Ich selbst hatte ja mal 🐌wo mir zugelaufen ist. Hab auch schwer damit gehabt, aber da fragt auch keiner nach !




Weiterhin alles Gute für Sie und Ihr Tiere.










______
¹vgl. Dieter &Jürgen

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kid37 - Montag, 4. März 2024, 17:44
Ich bin vielleicht der Dr. Dolittle meiner Gegend. Oder die glauben, ich hätte vielleicht eine Arche gebaut und wollen schon mal Plätze reservieren. Bei Schnecken denke ich immer an eine einprägende Kurzgeschichte von Patricia Highsmith ("Der Schneckenforscher").

Die "Ratten der Lüfte" sollen ja gar nicht so Hygieneschweine sein, wie man denkt. Habe mal eine Doku über Tauben in der Stadt gesehen, es ging teilweise auch um Hamburg (der Schlag am Hauptbahnhof). Angeblich sei das mit der Krankheitsverbreitung gar nicht so, wie man land- bzw. stadtläufig meint.

Es gibt sogar eine Tauben-Influencerin, die heißt irritierenderweise aber Häring.

https://www.instagram.com/grau_fluegel/

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samojede - Montag, 4. März 2024, 18:04
Ichichich dachte immer Sie sind Herr (Dr.) Rossi und denke bei 🐌 immer an "Das Geräusch einer Schnecke beim Essen" --≥ Buch. Wahrscheinlich nicht so spannend wie der Schneckenforscher, aber seit dem sehe ich 🐌n mit andere Auge......

Ich sag Ihnen ehrlich: Tauben finde ich schwierig, aber muß es auch geben. Wie kleine Süsmaus auch ,aber die wollen Sie ja nicht.








Überdies schönen Abend noch

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kid37 - Montag, 4. März 2024, 19:04
Buchhinweis klingt interessant. Herr Rossi hatte ja Hund, wie hieß der noch, Gaston? Vielleicht wäre so ein Tier am Ende doch was für mich (dachte ja an Leihkatze wg. Maus). Muss man halt immer mal raus.

Ich bedanke mich für das angenehme und informative Gespräch. Einen schönen Abend.

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herrrau - Freitag, 8. März 2024, 17:52
Ein wild dramatisches, Verzeihung, rationales Finale. Bravo, auf so vielen Ebenen!

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kid37 - Donnerstag, 14. März 2024, 23:29
Es ist immer wichtig, einen vertrauenswürdigen Ich-Erzähler zu haben. Sonst könnte sich ja jeder was zusammenreimen.

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