What is it good for? Absolutely nothing
Aufgestanden ist er, welcher lange schlief. Dann wacht man selber eines Morgens auf, und es ist Krieg in Europa. Dann ist nicht etwa endlich die Pandemie vorbei, sondern plötzlich noch einmal alles anders. Dann hat einer den Herd angelassen, den Kopf reingesteckt, die Karte falsch herum gehalten.
Über die Stunden und Tage teilen Bekannte aus der Ukraine, aus Kiev und Lviv, Nachrichten. Wo man ungefähr ist, in welcher Zone, Gefahrenzone, Schutzzone, wo der Luftschutzbunker ist. Familie, Freunde, was manche an der Grenze erleben. Derweil im Lande Ratlos zunächst noch Zauderpolitik, die Automaten nicht geölt, der Fingerzeigreflex nicht völlig kontrolliert, die Hirne derjenigen, die jetzt noch Partei- und Klientelpolitik betreiben, vielleicht zu klein auch einfach.
Ungeheuerliche Geschichten, schmerzhafte Geschichten, schockierende Geschichten. Man wird einander viel verzeihen müssen, hieß es. Den Aggressoren niemals, den anderen jetzt schon. Alle umarmen, aber den Mittelfinger hübsch gefeilt halten.
>>> Geräusch des Tages: Edwin Starr, War
Es friert einem Herz und Hirn, wohl wahr.
Sehr bedrückend. Es gibt mittlerweile viele Anekdoten, Schweijkiaden und Galgenhumor rund um die Wirrnisse dort, manche vielleicht gut erfunden, andere aber auch gut dokumentiert. Berührende und imponierende menschliche Geschichten, wie die alte Ukrainerin, die furchtlos einen russischen Soldaten ansprach und ihm und seinen Kameraden riet, Sonnenblumensamen in den Taschen zu tragen. Damit Blumen wachsen, wo man sie im Land begraben würde.
Oder der wegen Benzinmangel liegengebliebene russische Panzer und seine Besatzung, an dem ein ukrainischer Autofahrer vorbeifährt und ihnen anbietet, sie nach Russland zurückzufahren. (Alle lachen, die jungen Soldaten fragen sich wohl auch, was sie da sollen.)
Oder der von einem Traktor entführte gepanzerte russische Transporter (ein andere wurde wohl mit heißem Asphalt verklebt).
Es hat auch nicht lange gedauert, bis jemand nach Schweijk-Musik (Benny Hill) gefragt hat, um den Filmschnipsel mit dem Traktor zu untermalen, der anscheinend den Schützenpanzer klauen will. Und ach, natürlich war das mit der lustigen Musikuntermalung längst geschehen auf Tiktok, bevor jemand auf Twitter danach gefragt hat.
Ich geh jetzt Radfahren in der Sonne und denke nach. Hoffentlich treffe ich niemanden, der quatschen will.
Ja. Leider ist das insgesamt ja keine Benny-Hill-Posse, das wissen wir alle. Aber Radfahren oder Tiktok-Videos... kleine Fluchten, die den brutalen Irrsinn etwas erträglicher machen.
Ich geh am Strand spazieren. Strand? WattnStrand?
Wellen klären vieles. Der im Kreml könnte auch mal an die frische Luft.
Aufs Wasser starren tut meiner Seele gut. Besser als ins Feuer starren.
Jetzt haben wir Watt/Strand, also Erde, Wasser, Luft und Feuer. Sehr gut, ein rundes Bild.