Expedition in Terror



90 Prozent aller Filme aus der Stummfilmzeit gelten als verschollen. Originale zählten nicht viel, Film war ein Gebrauchsgegenstand, ein großer Teil des Materials fiel Unglücken, Vernachlässigung, Krieg, Bränden oder Selbstentzündung zum Opfer. Die Kopien wanderten teils Jahre von Kino zu Kino, wurden beschädigt, abgenudelt, gekürzt und umgeschnitten und landeten dann auf ihren letzten Stationen am Ende der (damaligen) Welt in der Mülltonne. Manchmal aber auch im Permafrostboden Alaskas, wohin sie vergraben wurden, oder auf irgendwelchen Speichern, wo sie aufgstöbert und auf Flohmärkte gelangten und schließlich in die Hände von Hoardern oder Sammlern. Oder eben Instituten, die sich um eine Restaurierung bemühen.

So wie dieser Film von einer Expedition ins Nordmeer im Jahre 1919. Ein junger Forscher, offenbar ein Humboldt seiner Zeit, macht sich mit seinem treuen Hund auf ins arktische Eis, um verschiedene Arten von Schnee zu untersuchen und erlebt ein dramatisches Abenteuer um Sprachverwirrung und einen gefährlichen Eisbären. Leider sind von diesem Werk in Spielfilmlänge nur wenige Informationen und noch weniger Material erhalten. Ganze anderthalb Minuten hat man aufwendig restaurieren können, eine gleichwohl imposante Leistung, für die moderne Computertechnologie (sprich: irgendwas Kompliziertes) verwendet wurde.

Als Hoarder Sammler obskurer Artefakte kam ich an eine Kopie diese eindrucksvollen, hoch spannenden Werks, das ich hier präsentieren möchte. Das Barmbeker Filmorchester spielte live eine Neuvertonung der Filmmusik ein, die als Schellackplatte mit 78/Rpm später einmal separat erhältlich sein soll.

Super 8 | 22:08h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
nnier - Samstag, 6. November 2021, 10:12
Ganz wunderbar, das erleichtert den Start ins kalte Wochenende erheblich!

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fidibus - Samstag, 6. November 2021, 18:41
Was mein Vorredner sagt. Besten Dank an den Bewegtbildarchäologen!

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kid37 - Sonntag, 7. November 2021, 17:20
Gerne. Als Sammler und Archivar verschollener Dinge sollte man die Öffentlichkeit immer auch an den Schatzfunden teilhaben lassen. Ist sozusagen ein innerer, in diesem Fall filmhistorischer Auftrag.

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gaga - Mittwoch, 10. November 2021, 00:18
mich schaudert!
Lust der Erstarrung!

Winter! Winter! frost'ges Leben!
Schnee und Erde deckt die Reben,
Und der Most in Fasses Runde
Schweigt, gibt nimmer Lebenskunde.

Winter! Winter! kalter Schrecken!
Möcht' mich auch mit Erde decken,
Daß das Blut in meinem Herzen
Stände still mit all den Schmerz


(Justinus Kerner, 1786 - 1862, deutscher Arzt, medizinischer Schriftsteller und Dichter)

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gaga - Mittwoch, 10. November 2021, 00:23
P.S. zum Zwecke der Erbauung noch ein paar heitere Zeilen vom großen Dichter Justinus Kerner zum Thema Klecksographie:

Aus Dintenfleken ganz gering
Entstand der schöne Schmetterling.
Zu solcher Wandlung ich empfehle
Gott meine flekenvolle Seele.

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kid37 - Mittwoch, 10. November 2021, 14:18
Schöner Hinweis. Dort finde ich auch den mir zuvor unbekannten Begriff der "Apophänischen Malerei" und will jetzt apophänischer Filmemacher werden. Faszinierend. So wie auch Zeilen wie "Winter! Winter! kalter Schrecken!" Sehe die schon quer über das Kinoplakat zu diesem Stummfilm gedruckt.

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gaga - Mittwoch, 10. November 2021, 23:04
Apophänie:
grundloses Sehen von Verbindungen, begleitet von der besonderen Empfindung einer abnormen Bedeutsamkeit!


Da kann ich mich auch ganz stark wiederfinden!

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kid37 - Donnerstag, 11. November 2021, 14:48
Mein Leben hat plötzlich ein Wort gefunden!

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samojede - Mittwoch, 10. November 2021, 19:44
❄🐕💙

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kid37 - Mittwoch, 10. November 2021, 19:54
So sieht es nämlich aus. Nie ohne Hund auf Winterexpedition!

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kid37 - Donnerstag, 11. November 2021, 14:47
The Snows of Many Years
Zum Vergleich, hier ein Film aus dem Jahr 1917 über eine Gletscherwanderung in Oregon. (via National Film Preservation Foundation)

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