Wären die Brüder Quay, unsere aller Lieblingstrickfilmer aus der dunklen "Straße der Krokodile", ein wenig schneller, sie hätten mit ihrem neuen Filmprojekt eine Punktlandung in Pandemie- und Lockdownzeiten landen können. Seit Jahren (übliches Tempo bei den beiden) werkeln sie an ihrer Version von Bruno Schulz' Erzählung "Sanatorium zur Todesanzeige". Es wäre ihr dritter Langfilm. Da die Frage, wovon die US-amerikanischen Zwillingsbrüder eigentlich leben, auch im mittlerweile selbst schon ein paar Jahre alten Atelierbesuch (bei denen sieht es so aus wie bei mir) von Christopher Nolan nicht beantwortet wurde und den beiden sicher selbst ein ewiges Rätsel bleibt, muß man sich mit der Fertigstellung wohl gedulden.
Nun aber sind von der Weltöffentlichkeit und daher auch von mir weitgehend unbeachtet im letzten Sommer sechs Minuten Material vom Anfang der Erzählung aufgetaucht. Ein Lebenszeichen. Sieht bereits sehr stimmungsvoll aus, abgetragene schwarze Anzüge, ungeputzte Zugfenster (ich sagte ja, sieht aus wie bei mir), ominös dronender Sound. Wer nicht warten will, verliert sich bis dahin in der bravourös verzückenden polnischen (Sur-)Realverfilmung von Wojciech Has, die es seit ein paar Jahren auch in restaurierter, von Martin Scorsese angetriebener Fassung gibt.
Kann empfehlen, sich den Sanatoriumsfilm-Ausschnitt bei einer nächtlichen Fahrt im ratternden Zug anzuschauen. Zuckte auch nur leicht zusammen, als der Schaffner mir bei der Fahrkartenkontrolle auf die Schulter tippte. (Hab zuvor natürlich noch nie von den Brüdern Quay gehört.)
Ein perfektes Setting für den Filmgenuß, denke ich. Die Quays sind berühmt für ihr Die Straße der Krokodile, Meister verträumter Stop-Motion, und allein eine Nacht in ihrem wunderbaren Atelier wäre mir etwas Geld wert. Ich lernte die tatsächlich erst Mitte der 90er ausgerechnet auf MTV kennen, für das sie eine Reihe verstörender Inserts produzierten. Da wußte ich dann noch immer ihren Namen nicht - war ja nicht wie heute mit all den Informationen unter der Fingerspitze.
Im ersten Hotel New Hampshire in John Irvings Hotel New Hampshire wird ja auch alles fest verschraubt. Hält aber selbst dann nicht alle Probleme fern. An solchem Animationswirken finde ich die Legitimation, alle möglichen obskuren Sachen sammeln zu können, sehr anziehend. Aber für die eigentliche Arbeit wäre ich zu ungeduldig. 24 Bilder pro Sekunde, meine Güte.
24 ist heftig. Aber für Ihre Vimeo-Filme bringen Sie doch durchaus Geduld auf, und die Quay-Brüder haben ja vielleicht ein paar Helfer im Hintergrund.
(Find solche Werkstätten auch faszinierend. Bewundere Leute die aus dem scheinbaren Chaos was interessantes Neues erschaffen. Bin leider durch die Ausbildung so konditioniert, dass am Arbeitsplatz unkreative Ordnung herrschen muss.(Der Meister erzählte seinerzeit mit Hingabe Horrorgeschichten von Arbeitsunfällen. Der Tod lauerte quasi überall auf uns.))
Ich glaube, meine Filme auf Vimeo haben eher so 1 Bild/Sek., deswegen kann ich auch 24 Mal so schnell wie die Quays arbeiten, die sogar zu zweit sind. Das sind ungefähr 12 Badewannen mehr pro Jahr, die ich... Struktur ist wichtig, bei der Ordnung streiten sich die Schulen. Ich hab's immer aufgeräumt. Aber davon sehr viel.