Sonntags sitze ich nach einer kleinen Runde zum Elektroschrottcontainer (anders als früher werfe ich da jetzt Zeug rein und hole nicht einfach nur was da raus, was man sicher noch gut verwenden könnte, wenn man es einfach nur ein wenig reparieren (ist sicher nicht viel dran) und in meiner kleinen Werkstatt modifizieren würde) im Easy chair, wie es weltmännisch heißt, und blättere durch die Wochenlektüre.
Etwas Neues, etwas Altes, etwas Blaues... Ich achte mit einer gewissen Akribie auf die richtigen Zusammenstellung dabei, denn Gestaltung macht auch vor den profansten Dingen im Alltag nicht Halt. Dahinter steckt die noch diffuse Idee, mich irgendwann einmal selbst recht kreativ auszudrücken zu wollen und einen Verlag für außergewöhnliche Fotobücher zu gründen. (Später, bitte keine Anfragen.)
In dieser Edition, so der Plan, werde ich vier Fotobücher (I - IV) veröffentlichen, mit exquisit ausgewählter, schwer verständlicher und noch schwerer aufzufindender Fetischfotografie, die ich - streng limitiert auf 237 Exemplare - an sehr alte, dafür aber sehr reiche Tokioter Fischgroßhändler verkaufen werde für 1500 2500 Euro das Stück. Die Aufmachung ist delikat: Einband aus gegerbten Mottenflügeln, die beim ersten Öffnen zerfallen - als Symbol für nachtbeflügelte Dekadenz und dem Ende von Allem. Wer sich jetzt noch fragte, wozu die Mottenexperimente in meinem geheimen Geheimlabor, der ahnt es jetzt und schweigt für immer.
Die Nachtfalterliteratur liegt eh im Argen. Bücher über Schmetterlinge gibt es in allen Farben des Regenbogens, aber über die in 50 unterschiedlichen Grautönen gefärbten (mein erster Verlegerwitz!) Kameraden der Nacht schweigt sich die Fotografie irgendwie aus. Bis es so weit ist, Dummys müssen gebaut, Gelder lukratiert werden, bleibe ich auf Käuferseite und unterstütze als Crowdfunder die Projekte anderer. Wie das neue Buch von Gilles Berquet Le Fétiche est une Grammaire, das ein bißchen Retrospektive bietet und einen Überblick über neuere Arbeiten, aber ganz wie Nachtfalter natürlich nicht jedermanns Sache ist. Die antiquarische, nicht übermäßig spektakulär aufgemachte Anthologie mit Zeichnungen von Franz von Bayros ist ein hübscher Rückgriff auf längst Vergangenes. Der Mann ist ja in Wien verstorben, wie überall nachzulesen ist, was ich irgendwie sehr angemessen finde in dieser Verbindung von Erotik und Tod und zwischendrin ein paar Girlanden. (Er selbst nannte es wohl, so entnehme ich der Wikipedia, "seine Verbannung". Oida. Aber offenbar war er eh ein bißchen weggetreten, mit Ansichten, mit denen man heute bei mir auch nicht punkten könnte.)
Dazu Kekse und Kaffee, etwas Herbstsonne und gepflegte Müdigkeit. Patti Smith zeigt heute bei Instagram ihre kleine Butze am Rockaway Beach. (Dazu gibt es hier ein hübsches Interview in der New York Times, das zeigt, daß ihr Artaud-Buch schon seit 2015 dort herumliegt. Ein wenig beruhigt mich das, setzt mich dieser Umstand doch in sehr gute Gesellschaft.)
Patti Smith ist toll. Hab sie und ihre Arbeiten erst in den letzten Jahren wirklich schätzen gelernt. Dafür umso mehr.