HackeDePicciotto
Herr Hacke war ja schon immer da, Frau Picciotto lernte ich zunächst über ihre Malerei so um 2006 herum in Berlin kennen. Aus Wolfgang Müllers unverzichtbarem Almanach Subkultur Westberlin 1979-1989 aber lernen wir: "Zu Danielles Geburtstag wollte der total verliebte Dr. Motte ihr eine Art öffentliche Parade oder Aufzug schenken. Es wäre jedoch unbezahlbar gewesen, den ganzen Kurfürstendamm absperren zu lassen. Deshalb meldete Dr. Motte das Ganze als politische Demonstration an." (S. 235)
Und deshalb hieß das Love Parade. Alexander Hacke (aka von Borsig), einigen von den Einstürzenden Neubauten her bekannt, wußte also, worauf er sich einließ, als er de Picciotto 2006 heiratete. Seither nämlich ziehen die beiden umher, also reisen um die Welt, in *romantische Klaviermusik ertönt* Liebe vereint und musikalisch aufgeschlossen. Eine Art Love Parade eben. Dazu haben sie (angeblich) "alle ihre Sachen abgestoßen" (sprich: eingelagert, die werden ja nicht doof sein), der Freiheit wegen und des leichten Gepäcks.
Angemessen leicht bepackt nahmen denn HackeDePicciotto am Samstag den Bus, um in Hamburg vor Publikum (53 Personen) aus den letzten Alben vorzutragen. Übrigens sehr ohrenfreundlich (geraucht wurde auch nicht, und angenehm kurz war's!), also leise. (Vor allem, wenn man die Einstürzenden Neubauten mal live gehört hat. Häh?!?) Hamburgs wichtigste Musiker (also ich und der andere) standen derweil ganz hinten (oder saßen, weil geschwächelt) im Westwerk, ganz entspannt eben.
Reduzierte Hausmusik neuerer Art hören wir da, düsterer angelegt als die Vorgänger, was vor allem an Herrn Hackes feedbackondulierter E-Gitarre liegt, mit der er (unterstützt von Loop-Effekten, was ihm Gelegenheit gibt, hier mal zu Trommeln oder dort eine kleine Reiseespressomaschine... na ja, das ist jetzt erfunden) quer zu Frau de Picciottos Geigen- und Drehleierspiel dazwischensägt. (Ich erinnere mich an einen Auftritt vor ziemlich genau zwanzig Jahren, wo er auf diese Weise die Singende Säge seiner damaligen Gattin Fr. Becker im Zaum hielt.) Das schwankt (die beiden sind für den Abend in Rot gekleidet, sie: Vintage, er: Stylists own) zwischen Baghwan-Pärchen in der Fußgängerzone (hier will wohl einer frech werden!) und angenehm schunkelndem Kaputt-Chanson Berliner Schule. Besser als erwartet, vor allem gegen Ende, als die Betriebstemperatur so ein bißchen angeschnuckelt war.
Draußen war es schon genauso dunkel wie die Musik, also angenehm. Singende Pärchen unter den Laternen.
>>> Geräusch des Tages: HackeDePicciotto, All Are Welcome
Ach, ach, ach, leise und kleines Publikum, dafür hätte man glatt in den Norden reisen können. Und wie immer: Tolle Fotos!
Danke. Sogar der Feedbackkrach war fein geregelt. Mußte keiner aus der Rolle fallen.
Das wird übrigens zukünftig noch sein ein Qualitätskriterium, das alle unsere Helden von damals auf ihre Konzertankündigungen drucken werden: "50+ friendly: beginnt pünktlich, nicht zu laut, bestuhlt".
Ein Traum! Ich hätte ja zunehmend gern hier und da einen Klapphocker dabei - auf Demos, in Warteschlangen am Flughafen, auf Konzerten...
Beeindruckend, wenn Leute konsequent für ihre Kunst leben. Wobei mir dann das eigene Dasein wie eine Anhäufung von Allerweltstagen erscheint, durch die man sich lediglich durchlaviert, anstatt irgendwas Großartiges auf die Beine zu stellen. Tröste mich damit, dass Kunst ohne Zuschauer auch nix wäre.
(Außerdem grüble ich über die Verbindung von Dr. Motte und Ihrem Laborfoto nach. Also abgesehen von der offensichtlichen.)
Sie haben die Hommage entdeckt! Sehr schön. Ich denke mal, die Kunst zeigt zu wenig von ihren eigenen Allerweltstagen. Wenn Herr Hacke Staub ins Haus trägt oder Signora De Picciotto morgens keinen Kaffee hat. Könnte mir da z.B. ein Krachkonzert vorstellen, das es nicht in eine Partitur schafft. (Ist jetzt nur eine Vermutung.) Die Vrostellung Leben & Liebe & Kunst so eng zu verzahnen, ist natürlich schwer romantisch. Ein anderes Konzept lebt ja die Frau
Wildl vom Wiener Café Korb. Die telefoniert nur mit ihrem Partner. Immerhin, möchte man sagen.
Das Lebenskonzept von Frau Widl hat was für sich, also wenn der Partner eine schöne Telefonstimme hat, gerne plaudert und nicht die ganze Zeit bedeutungsvoll vor sich hin schweigt. Leider kommt es für mich eher nicht in Frage, da in so einer Konstellation wohl erwartet wird, dass ich auch was in den Fernsprechapparat spreche ... und, naja, ich würde mit mir keine Telefonbeziehung haben wollen. Unabhängig davon finde ich das Interview mit Susanne Widl toll. Muss mir unbedingt das hübsche Wort "Feschak" merken.
Eine berühmte Bloggerin aus Wien brachte mir einst das Café Korb nahe, seither sitze ich da gerne mal rum. (War aber wohl nicht fesch genug für Frau W.) Sie hatten in Ihrer Kindheit sicher nur so einen Dorfanschluß unten an der Straße. Da haben Sie das nicht gelernt. Ich als Fast-Rheinländer hingegen habe schon so manche Telefonschnur kaputtgequatscht, auch auf Wienerisch. (Also meine Version davon.) Aber über Länder und Kontinente hinweg... finde ich schwierig. Andererseits kann da jeder seinen Kaffee so machen, wie er/sie möchte. Oder quer im Bett liegen. (Bei mir können allerdings nur sehr kleine Menschen quer im Bett liegen aus Formatgründen.)
Freue mich jedes Mal, wenn Sie von Ihren ausführlichen Vater-Sohn-Gesprächen berichten. Sich so aufeinander einlassen zu können, ist auch eine Gabe. Und kaputtgeredete Kabel lassen sich ja ersetzen.
(Hatte das erste Mal im Studentenwohnheim ein Telefon. Im Gang. Wo man sich mit einer Tüte Ein-Mark-Stücke in eine lange Schlange einreihen durfte und die Gespräche der Mitbewohner unfreiwillig mithörte. Weil wir rausfanden, dass der Apparat auch polnische Złoty anstandslos schluckte, sperrte man uns den aber alsbald. Im Grunde ist also die DDR schuld, dass ich keine Telefonfernbeziehung führen kann.)
Richtig so. In meinem Labor & Hörsaal wäre auch Telefonverbot. Sie sollen schließlich studieren und nicht mit einem aus der Arbeitsbrigade nebenan rumtändeln. War nicht alles schlecht.
Der RBB zeigt am 14.10. (irgendwann nachts) die Doku "Traumfänger" über die beiden und ihr nomadisches Leben.
Mittlerweile habe ich es gesehen: sehr sympathisch, überraschend reflektiert und artikuliert, keine "Awesome!"-Lobhudelei, sondern ein aufgeräumtes Porträt, das auch die Probleme bei so einer Unternehmung streift. Als Zeitzeugen sind u.a. Blixa Bargeld, Gudrun Gut und Dr. Motte dabei - warum der RBB das schöne Stück um Mitternacht versendet, möcht man vielleicht gar nicht wissen. Ich hoffe, die Doku ist anschließend in der Mediathek zu sehen.
Für mich ist die Musikszene ja fremdes Territorium, aber was für ein großartiges Paar! Musste die Doku gleich 2x gucken, weil ich die angespielten Lieder identifizieren musste. Danke.
Das freut mich. Vor allem, nachdem ich Sie neulich mit Steiner und Madlaina erstaunt habe.
ich mag die beiden sehr, die Konzerte die ich bis jetzt von beiden erlebte, hatten immer eine sehr hypnotische Energie.
Dafür hat der liebe Gott ja die Mediathek erfunden. Bin gespannt, gucke ich auf jeden Fall an.
schöne Doku -
alles auf Anfang
Als Tiefgraber lese ich jetzt doch mal den grafischen Bericht. (Als das Buch herauskam, war ich nur milde interessiert. Jetzt hat sich mein Bezug geändert.)
das wollte ich mir auch schon ein paar mal kaufen... habe darin geblättert, ein Schatz. Danielle ist so begabt.
P.S. hab die Doku gerade zum zweiten mal nebenher laufen lassen. Und aller guten Dinge sind drei. (Mantra)