Straßenbetrachtung




Das Aufklaren des Wetters schwemmt derzeit viele Touristen an meinen Notruf Hafenkante. Mittags sitze ich mit Herren und Damen aller Länder an Draußen-Tischen, so wie neulich mit den zwei Mlles aus Frankreich, denen ich galant erklären konnte, was das Schild bedeuten soll, das jeden Tag dort hängt: "Heute Selbstbedienung".

Bedeutung liegt ja häufig im Auge des Betrachters, und wenn man von dort aus mit affektiver Aufmerksamkeit schaut, so lasse ich mich von einer ganz und gar nicht weiß getünchten Wand herab belehren, sehen Dinge anders aus als sonst. Es muß also nicht gleich ein exotischer Schnaps sein, mit dem man sich zum Schauen (oder Reden) Mut antrinkt. Einfach mal so, locker und vor allem: Freundlich ist ja auch ein Weg.

Wenn ich, halbwach, mich so umschaue, ploppen gerade überall die winterverhärteten Knospen auf. Frauen zerren ihre bunten Kleider aus den Schränken, man möchte sie bewundern, allein die Vorsicht lehrt, dies lieber auf Blumen und Alleen zu beschränken. Aber sie sehen gut aus darin, aufblühende Menschen mit Hoffnung im Gesicht.

Vor den Türen letzte rabenschwarze Nachtgewächse. Sie rucken und gurren, scharren mit dem kranken Krüppelfuß. Sie wissen nicht, sie wollen nicht, sie spüren Hunger und malen mit der Asche auf dem Finger ihre Zeichen. Nur immer heraus, mein Schatten, mein Bläßchen. Man muß ja nicht gleich fressen, was man liebt.

Ein jeder sieht, was er sieht.

Homestory | 00:25h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
nnier - Freitag, 13. April 2018, 16:04
Mit Liebe betrachten? Da! Objektifizierung!

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kid37 - Freitag, 13. April 2018, 19:46
Es ist recht schwierig geworden, heute, steht man vor einer getünchten Wand. Nachher trauen sich nur noch Graffiti-Rüpel, was zu schreiben.

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samojede - Freitag, 13. April 2018, 17:31
Hab für

o Ihren Fuß
o Kollegah
o alle, wo mit luv (betr-)achten

..auch 1x die Straße angeguckt ❣


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kid37 - Freitag, 13. April 2018, 19:49
Zum Glück nicht mein Fuß! Ich erspähte im Blumenbeet vor meinem Haus einen Abdruck, der aussah wie ein Bocksfuß. Wer schauert da ums Haus? Nicht, daß mir verdruckste dunkle Gestalten durch den Schornstein heulen wollen. Frei heraus, sag ich, nur frei heraus!

(Mit erhobenem Kopf, das haben Sie gut gesehen.)

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samojede - Freitag, 13. April 2018, 23:54
Oh. Da bin ich einerseits froh, dass mit Ihren Pfoten alles ok ist, andererseits auch ein wenig pikiert, weil i die Metapher | Metaebene | Sonstiges nicht verstanden hab. Hatte aber auch immer im Doitsch Grundkurs *Diskussionen* & *Schwierigkeiten*. Stell mir das mit dem Boxfuss-Spanner aber auch belastend vor

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kid37 - Samstag, 14. April 2018, 03:01
Ich bin ja zum Glück topfit, gute Gene, sag ich immer. Ansonsten denke ich, da sind vielleicht Hexen, die vor der Walpurgisnacht ihre Flugübungen machen, weil die denken, das wohnt so ein sympathischer alter Mann, der sagt schon nichts. Dabei bin ich kein sympathischer alter Mann! Jedenfalls, und das uns allen zum Trost: Ich verstehe das auch nicht, nehme aber alles mit Humor. So bin ich ja auch. Und tolerant.

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