Am von milder Luft und etwas Sonne umspielten Wochenende gab es im nahen Park ein sogenanntes Naturschauspiel zu beobachten. Als sich dort nämlich Parkpunks und Kinderwagenschieber, schachspielende Rentner und allerhand bummelndes Volk mit Ah und Oh und Fotografiergerät um ein kleines Krokusfeld versammelten, das über Nacht seine lilafarbenen Hälse aus dem kargen Winterboden gereckt hatte. Na, das war ein großes Hallo, Selfies wurden gemacht und vereinzelt auch gelacht, Menschen zu Dokumentationszwecken für ein Foto erst in die eine, dann in die andere Richtung dirigiert, während kleine Kinder vorsichtig in die Lücken zwischen die Blumen stapften.
Es gibt, wie jeder weiß, nur zwei Dinge, mit denen man Menschen unweigerlich jedes Mal aufs neue verblüffen kann. Das eine ist, sich mit gewinnendem Lächeln auf eine Bühne zu stellen und von heiter beschwingter Musik begleitet langsam und ohne hinzuschauen ein vielfarbiges Endlostaschentuch aus dem Ärmel zu ziehen. Das andere ist, nun, eben ein aufploppendes Krokusfeld, das vom nahen Frühling kündet.
Die Menschen, bis auf zwei oder auch drei, haben gute Laune. Alle passen besser aufeinander auf. "Drei Tage hintereinander Mohnkuchen?" tadelt mich die Bäckerin und weist mich auf zwei andere Sorten zur Auswahl hin. Ich erkenne ihre gute Absicht und wähle was mit Apfel, es ist mittlerweile schon ein Spiel geworden. Hat sie frei, flüstern mir ihre Kollegen und Kolleginnen zu, es sei noch Mohn in der Kühlung, sie könnten gerne was holen, die Gelegenheit sei günstig, die Chefin nicht da. Ich bleibe aber brav, denn dieses Jahr will sie heiraten, habe ich erfahren. Vielleicht lädt sie mich ein.
Aber das ist chit chat.
Ich kann Ihnen als Kuchen übrigens "Kalter Hund" empfehlen von Oma Hartmanns. Das sind so kleine eingeschweißte Kuchen zu 25 Gramm. Schmecken (für meinen Geschmack, aber wir sind da ja häufig unterschiedlicher Meinung) lecker, kann man auf Vorrat haben und muss mit niemanden sprechen.
Wir sind häufig unterschiedlicher Meinung - aber doch nicht beim Essen oder? Ich hole den vom Bäcker ja nur aus sozialem Zwang. Die Kollegen gehen mittags nämlich flüsternd und von mir mißtrauisch beäugt zu jemanden, den sie nur "den Italiener" nennen. Da ich den Paten gesehe habe, vermute ich etwas, über das man besser nur heiser flüstert. Als Mitbringstullenesser mache ich mich bei denen natürlich verächtig, schon, weil ich offensichtlich nicht so tief drinhänge wie sie. Mit den fidelen Bäckerinnen rede ich mich gut raus.
Ich weiß ja nicht, in welcher Branche Sie tätig sind, würde aber aufgrund des "den Italiener" Medienbranche raten, denn die sind doch geografisch immer dort angesiedelt wo es "den Italiener" gibt und rennen dann dort alle Mittags hin und nehmen sich noch "das beste Pesto der Stadt" to go mit. Und überziehen tagtäglich die Pause mit nem Espresso "als Nachtisch" von MEINEN Steuergelder. Als ob es nicht reicht, dass die schon in Marokko... ja, ich weiß, ich muss zum Ende kommen...;-♡
Früher lungerten Medienleute standesgemäß zur Nacht vorm Büdchen rum, aßen Schnipo Schranke und ein Bier dazu. Zum Nachtisch eine Zigarette und ein desillusionierter Blick in die verschmierte, flackernde Außenbeleuchtung, während sie auf die Nachtausgabe ihrer Zeitung warteten. Ich sehe mich ja mehr im Sozialen tätig, weil meine Arbeit dazu beiträgt, den abendlichen Familienfrieden zu wahren und Menschen vor falschen Entscheidungen zu warnen. Das ist auch nicht wenig, wird daher auch voll besteuert.
Nun gut, inzwischen sind schon wieder acht Tiefdruckgebiete mit Starkregen durchgezogen, die Lefzen hängen tiefer denn je - aber dieser eine Moment, dieser eine Tag!
wussten sie übrigens schon, dass man keinen mohnkuchen essen darf, wenn man ob irgendwelcher unglücklicher verquickungen eine geraume zeit clean bleiben muss, da der nachweisliche weg vom mohn zum opiat wohl weniger weit ist, als man so allgemein hin glauben würde?
well played, gelatier.
Krokusse (Küsse? Krokteen?) sind ja auch was zu Essen, sehr teuer sogar.
(Dieser Satz entbehrt jeder Grundlage und spuckt dem gesunden Menschenverstand ins Gesicht, macht aber im postfaktischen Zeitalter jeden Skeptiker erst mal für fünf Sekunden mundtot. Danach ist schon wieder was anderes und man hat gewonnen.)