Wie ein fleißiger Imker gehe ich ja regelmäßig bei meinen Bienchen Honig melken, also zur Packstation. Tropffrisch und kaltgeschleudert konnte ich jetzt mein straßengesperrtes (Marathon) Wochenende retten. Unter anderem mit dem hübsch aufgemachten Digipack von Polly Jeans The Hope Six Demolition Project, das mit den Vorabsingles schon ein wenig für Aufregung sorgte. Kaputtbezirke in den USA fühlten sich nicht wertschätzend genug dargestellt mit Behauptungen über Drogen, Kriminalität und einer gewissen Hoffungsferne in der Luft. Tatsächlich sind Geschichte und Ergebnis wirklich aufregend: Ms. Harvey besuchte mit Seamus Murphy zwischen 2011 und 2014 Orte im Kosovo, in Afghanistan und in Washington, D.C. und veröffentlichte dazu den sehr empfehlenswerten Band The Hollow of the Hand (mit Gedichten von PJ Harvey und Fotos von Seamus Murphy). Im Anschluss entstand das Album (Trailer), bei dessen Aufnahmen im Londoner Somerset House kunstinteressierte Besucher halbstundenweise zuschauen durften (also wer, anders als ich, den Hintern entsprechend hochbekam). Das Ergebnis ist eine Weiterführung ihres sensationellen Albums Let England Shake, ein paar Ideen erkennt man wieder ("The Wheel"), anderes verweist auf frühere, auch rauhere Phasen zurück. Das Booklet zollt Freunden und Einflüssen Dank, wie es sich gehört: darunter sind neben ihrem musikalischem Langzeitpartner John Parish Linton Kwesi Johnson (kennt keiner mehr) oder Freundin Ann Demeulemeester. Schön, wenn Erwachsene Musik machen.
Wenn sie Filme machen, kommt so was raus, wie Guy Maddins The Forbidden Room. Ich habe ihn noch nicht gesehen, bin aber voreingenommener Fan von Maddins Werk, und habe zufrieden viel Begeisterung gehört von Kollegen, die ihn auf der Berlinale sahen. Auf der offiziellen französischen Seite im Netz gibt es versteckte 25 kurze Schnipsel zum Gucken und Staunen, auf die Schnelle gibt der Trailer einen ersten Eindruck. Verstreut über Deutschland gibt es einige wenige Kinotermine, darunter sogar welche in Hamburg. (Ob dort wirklich eine Filmkopie oder auch nur die BluRay gezeigt wird, entzieht sich meiner Kenntnis.)
Eigentlich wollte ich nur sagen, ich bin beschäftigt.
>>> Geräusch des Tages: PJ Harvey, The Wheel
Was ist Ihre Lieblingszeile des Digipacks/Albums?
Jetzt aber Heimkinoprogramm!
Das mit dem Walmart ist toll. Steht für so vieles. Oder kann es, wennman will. Ich würde gerne Ihre (jetzt meine ich aber Sie, nicht sie) III Lieblingszeilen hier lesen wenn Sie so weit sind.
Prima finde ich, daß sie (also nicht Sie) alle Interviews zum Album verweigert. Die spricht nur, aber erklärt nichts.
In einem genauso beschissenen wie vermessenen Artikel über PJ, den ich nicht verlinken will, wird von einem dämlichen Journalisten die dämliche "Frage" an den Leser(?) oder sein Ego(?) gestellt - ACHTUNG: "Ist das Album überhaupt das geeignete Medium um die großen Fragen zu beantworten?" Ich finde es gesund, wenn Menschen keine Interviews geben und durch andere Dinge sprechen. Es ist schon ne Zumutung diesen Scheiß zu lesen!
(Bei der Zeile stichts mir im Herz, (denn) so siehts aus.)
War "Let England shake" wirklich so herrausragend, aus dem Gesamtwerk? Ich muß offenbar nochmal reinhören.
The Hope Six Demolition Project läuft bei mir jedenfalls seit einigen Tage in Dauerrotation. Hoffentlich erscheint noch eine Pressung auf schwerem Vinyl mit dicken Pappcover....
Bester Song? A Line In The Sand
Was den frisch aus der Backform gefallenen Meinungsmann angeht, der für die mir unverständlicherweise von vielen (ebenfalls jungen) Leuten mittlerweile unbefangen zitierten Zeitung dieses unrühmlichen Verlages schreibt, ist Geweihzeigen natürlich ein Vorrecht der Jugend. Wenn es aber apodiktisch wird, wie in dem Satz am Ende, das Weitere würde wohl eh nicht interessieren, muß man da beim kessen Vorbeidribbeln aber deutlich den Fuß rausstellen. Nein, junger Mann, es nicht Aufgabe des Künstlers, Antworten zur Lösung aller Probleme der Welt zu haben. Es ist dies nicht einmal die Aufgabe eines Journalisten. Das ist nun wirklich "dämlich". Im Grunde erledigt Harvey hier den Job des Journalisten: als poetische Reporterin von Orten dieser Welt, an die mancher Journalist seinen Arsch nicht hinwagen würde. Oder, um im Bild zu bleiben, hinspringern. Und dann steht er da vor einem Gesamtkunstwerk aus Musik, Lyrik, Fotos und Filmen mit zahlreichen in Wunden getunkten Fingern und zieht blasiert gelangweilt die Nase hoch.
Aber gut, ich bin mittlerweile entspannt. Und man rate, wessen Werk überleben wird. Ich setze auf die Frau mit den Ann-Demeulemeester-Klamotten. Aber wenn es der Verlagsbranche weiter so schlecht geht, stelle ich mich gern mit dem jungen Mann vors Haus und singe "They're gonna put a Walmart here, they're gonna put a Walmart he-here." Vielleicht interessiert es ihn ja dann.
Ähnlich nörgelig kam ja unser aller liebste linke Tageszeitung daher, und da weiß ich dann auch nicht mehr. Mich hingegen hat sehr gefreut, daß am Erscheinungstag die offizelle Seite Harveys abgerauscht war. Wer so viele Menschen bewegt und deren, nicht einmal beruflich gefordertes, Interesse weckt, kann nicht gleichzeitig bedeutungslos sein. Und man sieht, daß ihre Entscheidung, Journalisten kein Interview zu geben, genau richtig war. Was ich auch rührend fand: Letzte Woche war das hier im Nordrundfunk Album der Woche und Thema in der skurrilen, aber coolen Sendung Popkocher von Goetz Steeger. Er hat dort das Arrangement von "The Wheel" Stück für Stück auseinandergenommen und in seiner unnachahmlichen Art nachgebaut. (Midi-File kann man dort runterladen.)
Das aber nur kurz dazu. Ich höre jetzt noch mal das Album. (Danke für den Hinweis auf Dry. Daran habe ich nicht gedacht.)
Wie finden Sie das Kleid ?
Beispielsweise, wie schön die Kleider auf die Gitarren abgestimmt sind. Wie sie das ganze Provo-Outfit, für das irgendwelche R&B-Modelettes im Spiegel gefeiert werden, schon Jahrzehnte vorwegnahm, und wie sie die zwar ironische, aber eben doch auch Rock-Tussie-Phase später als Sackgasse bezeichnete, nachdem sie wohl mal mit Juliette Lewis verwechselt wurde, die zu der Zeit als eine Art modischer und musikalischer Klon selbst mit Band unterwegs war.
2011 gab sie ja ihre Konzerte mit einer Art totem Schwan auf dem Kopf in der ersten Hälfte in Weiß, dann in der zweiten Hälfte in Schwarz. Großartig.
Ihr Styling wurde früher ja von ihrer Freundin, der Fotografin Maria Mochnacz betreut. In den letzten Jahren war es wohl mehr Ann Demeulemeester. Hierzulande ist das ja ein sehr unterentwickeltes Gebiet. Aber wer sollte das auch tragen - von Ihnen oder mir abgesehen?
Jetzt habe ich mir den von Ihnen genannten Artikel des linken Bumsladen auch noch durchgelesen. Es ist eine Frechheit. Und auch falls der Autor erst 14 ist, sollte man den in den Schwitzkasten nehmen. Die gehen mir eh auf die Nerven mit ihrer flapsigen, oberflächlichen, dummen Schreibweise und ich klick da nur hin, um bei "Schenken Sie freien Zugang zu unabhängiger Presse" : "Nein, danke" (!!!) anzuklicken.
Ich muss aufhören. Kann zum Ausgleich mal wer einen schönen Artikel nennen? Alternativ kann ich mir aber vielleicht auch, um rund abzuschliessen, das von Herrn Steeger, von dem ich noch nie was gehört habe, die Tage mal anhören. Oder die Schwäne nochmal angucken.
So wie ich bei "linker Bumsladen". Die Rezensentin dort gibt auch noch zu, das Album "beim Abwasch" gehört zu haben. Danke, alle Klischees bestätigt! Mann, Mann, Mann. (Vielleicht sollte PJ ihren VHS-Kurs Songwriting auch für Journalisten anbieten.)
Der NDR schafft es leider nicht, die (wenn auch immer nur minutenkurze) Sendung "Popkocher" in die Mediathek aufzunemen oder als Podcasts zu veröffentlichen. Sonst ist jeder Mist drin, selbst Berichte über den Fußballverein dieses Dorfs hier. Mann, Mann, Mann. Dabei kann man bei Steeger wirklich was lernen, ganz technisch-musikalisch, mit welchen Instrumenten und welchen Effekten einzelne Passagen aufgenommen worden sind. Der hat auch oft gute Beispiele, David Bowie oder Poliça. Na ja, muß mich jetzt dem Abwasch widmen. Vielleicht lese ich eine Zeitung dabei.
(Bei lacht & Songwriting ist der gleiche link hinter?! Testen Sie ob ich aufpasse oder versteh ich das nur nicht?)
Und: Ja, ja, bis ich mir überlegt hatte, ob ein Flug nach London lohnt, um 30 Minuten dabei zu sein, war alles ausverkauft. Naja. Jedenfalls haben wir am Sonntag noch mal Let England Shake gehört, I fear our blood won't rise again, das ist zu befürchten.
(Ich war ja in den 70ern mal als junger Mensch in Rumänien und spazierte dort unbedaft durch die Wälder. Es ist ein merkwürdiges und
Wunderbare Tagesgeräusche. Schade, dass Frau Harvey nur einmal in Berlin zu sehen ist, wenn ich gerade keine Zeit habe. Montreux wäre noch möglich, da tummelt sie sich mit Kollegen, gleich an mehreren Tagen auf verschiedenen Bühnen...
Ich freue mich einfach mal über die bald eintreffende CD und darüber, dass Sie bestens über die wirklich wichtigen Dinge Bescheid wissen...
Die Konzerttermine sind im höchsten Maße beklagenswert. Ich bin auch noch sehr unschlüssig, wo ich da mit meinem U-Boot anreisen kann.