Wie schön, wenn man nach so viel zwangsharmonischer Heißverklebung der letzten Zeit auch mal politisch unkorrekt die Lautstärkeregler voll auf die Zwölf drehen kann, wenn die nationenweit bekannte Unterhaltungskapelle Laibach in einem Hamburger Kuschelclub aufspielt. Gerade noch in Pjöngjang, nun schon wieder in der Hansestadt. "Resistance Is Futile" heißt die Botschaft, und schon knattert Blitzkrieg mit einem brachialem Tieffrequenzgewitter von der Bühne, daß einem die Hosenbeine und Hemdknöpfe schlottern. Umsichtig habe ich eine Auswahl Schmutzwäsche mitgebracht, aus der derart schallbehandelt der Staub nur so schleudert und die im Anschluß (!) blitzsauber und bügelfertig in den Schrank gelegt werden kann. Die Lunge vibriert, jede Körperzelle tanzt, wie es in einem bekannten Lied heißt, und wer an "Detoxing" glaubt, spürt hier förmlich die böse Schlacke von den Zellwänden platzen.
Es folgt ein kurzes, knarzendes Militaria-Set, unterlegt mit Projektionen von Marschstiefeln, pornografischen Sequenzen und später auch wie mit der Konditorenspritze hingemalten kawai-Zuckergußbildchen von My little Ponys, Propagandasequenzen mit asiatischen Schuluniformmädchen, allerlei Blumen und Gezitter und Laufschriften mit allerletzten Todeswarnungen. Hoho! sagt man auf dem Total-Theater, die ironische Brechung immer gleich mitgesprochen. Laibach sind vielleicht so eine Art Krampusfest, handfester Schabernack und Austreibung von allerlei Bösem.
Nach einer Pause folgen im zweiten Teil des Abends hymnische Pop-Lieder wie Edelweiß, verhältnismäßig gefällig wird es dabei schon, ein bißchen beliebig vielleicht, der Witz ist schnell genossen. Etwas von The Human League würde jetzt nicht wundern, Singesingesing, es ist der "Kumbaja"-Moment des Abends. Fehlte noch, irgendeine blutjunge, schwarzuniformierte Industrial-Gestalt aus dem Publikum hakte sich zum Schunkeln bei mir unter.
Völlig an mir vorbeigegangen war, daß Laibach eines meiner liebsten Lieder von Bob Dylan gecovert haben. Die durch Pennebakers Filmclip zu "Subterranean Homesick Blues" ikonografisch gewordenen Cue-Cards wie hingespuckte Milch auf den Hintergrund projiziert, haben Laibach den Klassiker Ballad Of A Thin Man völlig dekonstruiert, zersägt und neu zusammengeklebt. In Hamburg als schönes Brett serviert, mein persönlicher Höhepunkt des Abends. Nur so kann man das covern, das gitarrenschrammelige Lagerfeuer austreiben, das Brennholz noch mal kleinerbrechen, Fackeln binden und ausgebrannte, trostlose Kellerlabyrinthe damit erhellen. Wo eben was Seltsames passiert, nackte Gestalten herumliegen und Unverständliches brabbeln. Man weiß eben verfickt nochmal nicht, was da geschieht. Oder weißt du es, Mr. Jones?
>>> Geräusch des Tages: Laibach, Ballad Of A Thin Man
Schöne Fotos.
& aus ebenfalls aktuellem Anlass: Ist es nicht u n g l a u b l i c h , dass beim Dschungelcamp(!) plötzlich John Frusciante und Caesars angespielt werden?!? Falls der Mann oder die Frau, der oder die dafür verantwortlich ist, irgendwann hier liest: Ich finds toll und höre diese Zwischentöne.
Schaut man sich mal den Zahlencode im Pseudonym dieses Menschen an, der die Videos auf Youtube hochgeladen hat, sind letzte Zweifel auch fern. Aber, jetzt zur schönen Nachricht, auf Gottes Musikwiese ist für viele Schäfchen Platz. Auch für die schwarzen.
Cool, mit dem #ibes. John Frusciante, das hätte er sicher auch nicht geträumt. Soll keiner sagen, diese Sendung hätte keine subliminale Strahlkraft für alle Kulturbereiche. (Diese Staffel ist ja sehr philosophisch, wenn da mit "Meinungen reflektiert wird, die in einem stecken!") Ich bin sicher, die lesen hier alle heimlich mit!
Ah, Sie sind im Dschungelbilde. Ich hoffe, es sprengt nicht den Indeß-Niveau-Rahmen wenn ich nachfrage, ob Sie einen Favoriten haben?
Und dann will ich noch wissen wie sie die finden. Frei heraus!
#ibes ist bei mir nach interessiertem Auftakt abgerissen, wg. außer Haus bei schwarzschafigen Industrialmenschen (mit coolen Armbinden aus dem Merchandising). Am Anfang war ich #TeamZacher, wir
Ich höre ja nur noch konkrete Musik. Da kann ich zu Ihrem Tipp nicht so richtig was sagen. Sicher dufte Typen. Ich wollte Ihnen ja Vögel Die Erde Essen nahebringen.
Seit wann machen Sie denn #? Besprechen Sie etwa hier nicht mehr alles??? Ich guck der Dunkelhaarigen am liebsten ins Gesicht, mag die Stimme von Sophia und wenn ich mit jemanden ein Bier trinken müsste, wahrscheinlich David. Ich würds aber sehr kurz halten. Menderez ist natürlich *, aber nach Feierabend ist mein ♥ geschlossen für derart ... fragile Persönlichkeiten.
Das mit der Kugel habe ich leider versäumt.
Seit wann hören Sie solch konkrete Musik? Da tritt mir gleich kalter Schweiß auf die Stirn. Also nicht, weil sie schlecht ist oder so, aber puh. Jadanke für die Vögel, aber da kann ich nicht so richtig was zu sagen.
Erst seit Kurzem. Irgendwas war damals, ich habe aber vergessen, was. Ach ja, ich saß hier auf dem Spielplatz plötzlich völlig allein auf der Wippe. Spielen ja alle jetzt drüben im 140-Zeichen-Småland.
Interessante Geschichte mit der Pistole, sowieso mit Gunther und was er aaaaallles erlebt hat. Ich war ja dabei als und wie er berichtete wie Johnny ihn mal angerufen hat. Wegen Coversongs. Da ist jetzt natürlich ne Anekdoten-Lücke im Camp. Aber Gesundheit geht vor!
#achso.
Und wenn man sich diese Sachen aus den 80ern anhört, merkt man, welches Glück das war, von Leuten wie Conny Plank produziert zu werden. Das ist doch deutlich ein anderes Kaliber als die in die Matrix geklöppelten Heimcomputermischungen heutiger Zeiten.
Ich bin im Grunde auch froh darüber, dass das lose Ende des EBM-Fadens in diesem Jahrtausend nochmal aufgenommen wurde. Ob man das jetzt Aggrotech, Cybergoth oder Industrial Dance nennt, ist mir eigentlich wumpe. Und selbst wenn mich vieles, zu dem die jungen Leute heute abspacken, nicht wirklich vom Hocker haut, es ist allemal besser als das "Aciiiiid"-uffta-uffta-Gezappel, was in den 90ern nachkam.
#kid666: Ich hör eh nur noch Dylan. #monothematisch
Ich wünsche mir nun, dass auch andere Menschen sich mal so eine verdammte Mühe mit der Sprache und der Welt um sie herum geben würden wie Sie, nur heute, nur einer, und ich wäre schon zufrieden.
Ah, das erklärt es. Hätte nicht drauf wetten mögen, dass Laibach Ihr Ding ist. Dabei können die auch durchaus Gitarre, sie zeigen's nur nicht ständig. Nehmen wir zum Beipiel "Message from the black star", das Riff geht richtig gut nach vorne, die Nummer ist aber leider auf youtube nicht verfügbar.
Überhaupt ist das sensationelle "Jesus Christ Superstar"-Album mit ihren eigenen Sachen gegenüber den ganzen Coverversionen quer durch die Musikgeschichte immer ein bisschen unterbewertet geblieben, finde ich.
Ich finde das Laibach-Konzept der völligen Aneignung und Umgestaltung aller Werte und totalitären Harmoniegesetze als Konzept schon interessant. Manchmal scheint es wie ein one trick pony, andererseits ist diese Sturheit und frei heraus genutzte ebenm wie oben gesagt, mutig. Ich sprach gestern mit einer Freundin über die neuen Denkverbote in sozialen Netzen. U. a. zeigen Laibach, wo der Faschismus alles wohnt, wovor man brav zurückschreckt, wie oft man antrainiert reagiert. Ernsthaft provozieren die eigentlich nicht mehr. Aber der Coup mit dem Konzert in Pjöngjang und die verstörte Medienreaktion darauf ist schon beachtlich. Und sie sind einfach sehr schön laut. (Sound beim Konzert war astrein, Dank an den Mischer!)
Sie haben natürlich recht, Herr Nnier. Ich würde jetzt auch nicht anfangen, mir die Alben zu kaufen. Eher mal eine Konzert-DVD wegen der visuellen Effekte. Vielleicht covern die mal mein Blog und zersägen das. Das wäre doch toll. Und sicher laut.