In meiner Zeit als Trash-Art-Filmer reüssierte ich mit Werken wie Die Melancholie der zarten Kannibalin, in stelzenhafter Eleganz ausdeklamierte philosophische Selbstbespiegelungen (entlarvender dann nur noch in meinem zweiten Film Bauchnabel der Bohème) mit grobkörnigem Sex und falschfarbenen Splatterszenen. Das kam im Uni-Filmclub vor anderen verklemmten Studenten und auf sogenannten Schalbierpartys zwischen welken Erdnußflips und abgestandenem Haarspray gut an. Wir haben sowieso viel gelacht.
Es war so die Zeit. Große Kunst, großes Leid, dann noch mehr Stuß und ein Spritzer Verachtung. Trümmerliteratur der Post-Boom-Jahre, zusammengedacht in schlecht gelüfteten Räumen, unbeheizten Kellerateliers, die möbliert waren mit alten Fischkonservendosen, die nun als Aschenbecher dienten. Manchmal waren auch Mädchen da, damals, als man noch nach Blättchen fragte. Aber nicht so oft, wie heute getan wird von Pete oder Mike oder Tom oder wie die damals so hießen.
So alle. Anders als heute war das Leben noch nicht ständig rot unterkringelt, das war alles noch sehr richtig dekliniert und wenn nicht, dann fiel das keinem auf. Die Kannibalin zum Beispiel. Ich sagte "Geh mal von links nach rechts" oder "Schau mal melancholisch aus dem Fenster", während ihr wegen der Scheinwerfer überdick aufgetragenes Make-up eben auch wegen der Scheinwerfer zu einem schwarzen Schlotz zerlief. eine zarte Kannibalin unter 2 mal 1000-Watt-Halogen. Das war dann schon auch Arbeit. Das war nicht nur einfach so. Gar nicht einfach so.
2.) ich habe neulich ein gerät in betrieb genommen, mit dem vhs direkt digitalisiert werden kann vom videorecorder. allerdings habe ich nie solche filme gemacht wie beschrieben, höchstens vielleicht mal die schreibtischlampe mit dem hochwattigen reflektor drin gehalten.
3.)
@Fabe: Ein gedanken- und erlebnisgefüllter, zugemauerter Keller? Das ist Sarkophag an Ideen. Wenn man den 2037 öffnet, gibt es eine Sensation. (Ich schaffe es noch nicht mal, alte Vier-Spur-Analogaufnahmen zu digitalisieren. Schade eigentlich. Was wurde nur aus dem Kontigent an Zeit...)
Und die Hipstermanic-Filter wurden eh alle von einer höheren Maschinenintelligenz (also höher als die humane) aus Bildern rauskorrigiert.
Wie kamen Sie auf ausgerechnet auf eine Kannibalin? (Später werden wir bestimmt auch automatische Psychodeutung haben und all sowas.)
Schlingensief hatte die Kettensägen schon benutzt, da blieb nur eine Kannibalin übrig. Eine Frau mit verzehrendem Wesen, die sich ihrer Existenz und ihrem So-sein bewußt wird, hineingestoßen in eine ablehnende Welt (damals galten Kannibalen noch nicht als "krass cool"), die sie mit ihrer eigenen Begrenztheit nicht auszufüllen vermag. In der Dichotomie eines gefälligen Widerstrebens und nicht zu vergesellschaftenden inneren und äußeren Widerstands und höchst aversiven Charakters... usw. usf. (Filmförderung hat abgelehnt)