35 Grad
Ein Tag am Fluß. Lange Schlange vor dem Freibad, drinnen wahrscheinlich ein Zustand dicht gepackter Massen, eine Art Schwimmbadsoße mit Einlage, Chlorsuppe vom Discounter mit jungem Gemüse und ledrigen Fleischklumpen älterer Hühner, so wie diese Dose von Lidl, die ich für Katastrophenfälle vorhalte.
Ein älterer Hahn wie ich sucht die bislang noch nicht so richtig entdeckten versteckten Plätzen am Wasser auf. Das wird sich bald ändern, aber jetzt schauen nur kurz zwei Angler vorbei, blinkern ein wenig durchs Wasser, die Fische aber pflegen dieser Tage eine passive Aggressivität, liegen trotzig am Grund und schnöden überlegene Blicke für den jammervollen Tand der Köderindustrie. Den Rest des Tages habe ich das Plätzchen für mich allein, hier kann man mich gut liegen lassen, denke ich, Herz und Knie bereits an der Biegung des Flusses, das Tuten der großen Schiffe vom Hafen so gerade noch in Hörweite, sonst nur ruhiges Plätschern und ein paar brummelige Insekten, darunter eine sonnenverwegene Kellerassel, die mir quer übers Hemd stapft. Komm, wir gehen unter'n kühlen Stein, schlage ich vor, immer bereit, auch ungewöhnliche Freundschaften zu schließen. Aber das graue Gürteltierinsekt zieht mit all seiner seit Dinosaurierzeiten erworbenen Gemütsruhe weiter, ahnt vielleicht, daß ich nur ein Wimpernschlag in der Evolution bin, während es selbst seit Millionen Jahren besteht und uns noch alle überleben wird. Eine Frage der Ökonomie, entschuldige ich seine Entscheidung, wozu in etwas investieren, daß erwartbar wenig Dauer und Gewinn verspricht.
Der melancholische Ausflug entwickelt sich nach meinem Geschmack. Strindberg & Helium kommen mir in den Sinn, deren neueste Episode die beiden ungleichen Freunde an den Strand führt. Herrlich, so phlegmatisch mißmutig am Wasser sitzen zu können und seine misanthropen Gedanken kleinen geschnitzten Borkenbooten gleich auf den Wellen auszusetzen und zuzuschauen, wie sie stromabwärts treiben, ihrem sicheren Untergang entgegen. (Meine Lieblingsfolge bleibt aber immer noch Absinthe and Women.)
Das batteriebetriebene Kofferradio habe ich vergessen, so kann ich nicht die Verkehrsnachrichten verfolgen, Staumeldungen von der Autobahn, temperaturhysterische Meldungen von brennendem Asphalt und sicherlich bloß hirngeschmolzene Behauptungen roter Hosen Köpfe, Erstligavereine würden im Pokal an der Unterklasse scheitern. Oder die klandestine Meldung, in der Schweiz könne man noch Glühbirnen kaufen und an der Bundeswehr im Inneren vorbei über die Grenze schmuggeln. Mein lauwarmes Mitbringwasser trinke ich ganz langsam, dann kann nichts passieren.
Glühbirnen (60er) hab ich vor paar Monaten aus Deutschand geordert. Da mußte nix geschmuggelt werden : )
Allerdings kamen die aus der Schweiz - das erklärt nun vieles.
Das Tshirt steht Ihnen ausgezeichnet.
Sehen Sie! Da sind die alten Schmugglerpfade, auf denen sonst nur Daten-CDs das Land wechseln. Hierzulande soll man jetzt, die EU fordert es, mit Sondereinsatztruppen die letzten Vorräte aufspüren. Meine kriegen sie nicht.
Glühbirnenschmuggler. Das ist doch mal eine Berufsaussicht für die Söhne. Endlich eine reelle Perspektive.
Ich könnte dann der Pate sein in den hell erleuchteten Hinterzimmern von Hamburg-Hamm.
Der Gedanke gefällt mir : )
Sind die schwarzen Ringel breiter als die weißen oder unterliege ich einer optischen Täuschung?
Hm. Jetzt, wo Sie es sagen. Sowas muß ja gleich sein aber ich schätze, meine quergestreifte Brustmuskulatur legt das Hemd ausgerechnet an den schwarzen Stellen derart in Waschbrettwellen, daß es zu optischen Täuschungen kommt. Eine andere Erklärung fällt mir da nicht ein.
habe ich mich auch nicht getraut - aus Sorge, dort
solche Verhältnisse vorzufinden. Radeln klappte gar nicht schlecht, man kann (solange man es nicht übertreibt) eigentlich ganz gut fahren bei diesen Temperaturen, man darf bloß nicht anhalten. Denn wenn der Fahrtwind ausbleibt, kommt das körpereigene Kühlsystem doch recht schnell an seine Grenzen. Und der Verbrauch ist enorm, 7 Liter Apfelschorle auf 100 Kilometer muss man schon einplanen.
Da kommt so eine fußläufige Exkursion in Anglergefilde sicher günstiger, vor allem, wenn man keinen plärrenden Batteriefresser mitschleppt.
Vermutlich ist es drinnen im Freibad tatsächlich so fischstäbcheneng gewesen. Da bleibt nur dioe Nachtischrunde: Nach 23.00 Uhr hörte ich schon wieder Gelächter und das Platschen vom Dreier rüberwehen. Vielleicht sllte ich noch mal nach dem
Rechten sehen.
Ruhig im Schatten den Wellen hinterherschauend ging es ganz gut.
Ja, das ist der alte Trick: als moving object ist es erträglich.
... eine kleine Pause führt zu I´m melting away in this sunny day.
P.S. Lieber herr @kid, t-Shirt und Johannisbeeren(?) sind ästhetisch schon sehr 70iger !
Fehlt nur das Bonanzarad, sag ich ja. Man schimpfte neulich erst, ich lebte irgendwie so vergangenheitsaffin. Dabei muß man die ja erst verstehen, ehe der Zug weiterfahren kann. (Man muß natürlich wissen, wie man die Beeren über einen so langen Zeitraum frisch hält.)
Ich habe den Sonntag auch am Fluss verbracht. Der kleine, aber feine Kunstförderverein, bei dem ich aktives Mitglied bin, hat ein Häuschen aus den Zwanzigern mit einem großen Grundstück, das direkt von der Pegnitz begrenzt wird. Dort kann man am Fluss wunderbar ungestört in einer Hängematte baumeln oder die Beine von einem kleinen Steg aus ins kühle Gewässer hängen. An manchen Tagen, wie gestern, gibt es noch Programm: Philosphische Vorträge, Yoga und Klaviermusik, und eine Gartentafel. Gestern hat unser indischer Gast hervorragend bengalisch gekocht.
Das klingt sehr entspannt. Hängematte und Klaviermusik, das könnte ich mir dort eigentlich auch einrichten. Aber nachher liegen wieder nur die Angler drin.
vermeldet heute das feingeistige Hamburger Boulevardblättchen. Hätte ich mir eigentlich denken können.
Ihre Aufzeichnungen gehören zu den (textlichen) Highlights meines Lebens ... und ich bin mir nicht wirklich sicher, was das über mein Leben aussagt? ;o)) ... Für einen Moment habe ich mir gewünscht, ich wäre die sonnenverwegene Kellerassel gewesen. Dann hätte ich mich, ohne zu zögern, gegen die Ökonomie und für die ungewöhnliche Freundschaft entschlossen. Der Rest war ein Hinwegträumen an ihre Biegung am Fluß und Strindberg & Helium, die vorbeikommen und einen Runde Absinth spendieren.
Sie meinen ich spinne jetzt komplett? Vielleicht liegt's auch an der Hitze ...
Wenn die Hitze schon Kellerasseln in die Sonne treibt, war definitiv da was drin. Ich war auch so ganz merkwürdig entspannt. Da so idyllisch unter Bäumen am Wasser hätte es Ihnen bestimmt auch gefallen.
Ja, wie so oft, eine schöne kleine Reise, es kommen auch Tiere drin vor, wunderbar.
Im Stau war es übrigens angenehmer als beim Angeln, wegen Klimanalage *hüstel*.
Und wegen der Birnen: Ich sage nur Kroatien. Da gibt es im Supermarkt sogar noch 100 Watt. Habe ich letztes Jahr einen kleinen Vorrat gekauft, der schon fast aufgebraucht ist. Ich glaube, die vergiften den Strom, damit die schönen Birnen platzen.
Manche müssen nach Shanghai, ich hingegen werde noch zum Hermann Löns der Bloggerszene bin da schon vor der Haustür neigierig. Aber unter diesen Bedingungen sollte ich mal mit einem großen leeren Koffer gen Osten fahren.
A good us these days is hard to find
Absinth and Women. Habe wirklich schon lange, lange nicht mehr so gelacht.
Ja, wunderbar deprimierend.