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Derzeit bin ich ja im Behandlungszentrum Rock'n'Rollplattenstudio zu den Aufnahmen für mein neues Album Wut, Verzweiflung, Ingwertee und habe folglich nur wenig Zeit für allgemeine Wetterbeobachtungen. Der Kalender aber enthält feinsinnige Hinweise auf einen beginnenden Sommer. Man wird also bald wieder abends auf warmen Steinmauern an der Elbe sitzen können, mit einer Flasche Bier und ein paar Mietfreunden vielleicht für das soziale Rundumpaket und sich einer gewissen eintretenden Friedfertigkeit hingeben. Sekundenschlaf möglicherweise.

In meinem Buch Die Mörder sind alle Verbrecher beschreibe ich ja, wenn auch mit einem gewissen zuneigungsvollen Witz, die widerhakenbestäubte Kuscheligkeit der durchchoreographierten Quadrillen auf den Parketts des sozialen Miteinanders. Im Kapitel "Krämer und Kameraden" führe ich aus, wie Taxierung und Evaluation die letzten weißen Flecken der Optimierungslandschaft erreichen, den bislang noch unsubventionierten Prozess von internetgestützter Humanzusammenführung. Führt man, wie ich derzeit, eine Existenz eher als Bruchschokolade, gilt es, einer weiteren Zersplitterung vorbeugend entgegenzuwirken. Konzentration, ihr kleinen Robbenbabies der unbefangenen Liebe, Konzentration ist das Zauberwort. Bündelung von Energie, Widerstand gegen Zerfaserung, Obacht walten lassen vor einem Ende als ausgefranstes Handtuch im Warenlager der Restgestalten.

Das Leben also lieber nur in Ruhe füllen, vom Acker des Realen pflücken, erst den einen Schnürsenkel, dann den anderen Schnürsenkel, Schritt für Schritt und ab und zu mal langsam machen, so jedenfalls erklärte ich es heute morgen gestenreich meiner Ärztin, während diese mit einem sehr großen Instrument vor mir herumfuchtelte. Die Assistentin schaut herein, nicht aber auf meine entwürdigenden Situation auf der Behandlungsliege, sie berührt im Vorbeigehen und ganz wie nebenbei meine Schulter, drückt sie kurz, sucht einen Rezeptbogen und geht wieder hinaus, und ich sage, wieder zur Ärztin gewandt: Sehen Sie, davon benötigen wir mehr. Lieder wie "Das Land der tausend Gesten" oder "You Really Got A Hold On Me". Die Ärztin bleibt ungerührt, fragt, ob ich in die Kuschelgruppe wolle oder ein Ergebnis haben, ich frage, so im Vorbeigehen und ganz wie nebenbei, ob sie tanzen geht, ich müßte mich nur darauf einstellen, dann könnte ich auch spontan.

Homestory | 15:13h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
ana - Freitag, 15. Juni 2012, 15:45
Mit Ingwertee sind Sie ja schon auf dem Weg der inneren Einkehr. Ein Freund von mir, der für eine Rundfunksendung einige buddhistische Klöster als Gast besucht hat, erzählte mir, dort wird vor allem Ingwertee gereicht.

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kid37 - Samstag, 16. Juni 2012, 01:46
Behandlungszentrum, nein Rock'n'Rollplattenstudio ein buddhistisches Kloster, das war's!

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lady grey - Freitag, 15. Juni 2012, 18:01
Ich empfehle dringend die Lektüre meines beim Lucy Körner Verlag erschienenen Gedichtbandes "Auch Bruchschokolade kann süß sein", Sweetie!

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kid37 - Samstag, 16. Juni 2012, 01:47
Es bricht die Schokoladentafel,
doch ihre Süße, die bricht nie


#kühlschranktür

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vert - Samstag, 16. Juni 2012, 03:45
ogottogott, der lucy k. verlag. da legen sie aber schlimme traumata bei mir frei. meine erste freundin schrieb mir immer zitierte gedichte aus derlei konvoluten. ich war furchtbar traurig, als das auseinander ging - aber diese poeme habe ich keine sekunde vermisst.

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kid37 - Sonntag, 17. Juni 2012, 21:54
...diese poeme habe ich keine sekunde vermisst.

Wenn Sie sich jemals gefragt haben sollten, warum es möglicherweise auseinanderging, dann denken Sie noch einmal ganz scharf nach.

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vert - Dienstag, 19. Juni 2012, 04:03
jetzt weiß ich das auch. aber das hilft in dem moment ja nix. heute kann ich mich auch nur wundern. wenn ich recht überlege, musste ich mich danach nie wieder so wundern. aber man soll ja auch was lernen vom leben.

außerdem ging es auseinander, weil sie jemanden mit einem audi wollte, verstehe das wer will.

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kid37 - Dienstag, 19. Juni 2012, 14:01
Du liebst ihn nur, weil er ein Auto hat / und nicht wie ich ein klappriges Damenrad. Manchmal sollte man einfach Die Ärzte fragen.

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schneck - Samstag, 16. Juni 2012, 12:25
liberté, fraternité, ingouverté! /Ärzte sind ja Zaungäste, aber nicht immer die Schlechtesten. Und ich bin supergespannt auf Ihren neuen Balladesong "Always The Mietfreunde"! *herzlichsmiley*

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kid37 - Sonntag, 17. Juni 2012, 21:55
Erst kommt noch With A Little Help From My Sozialkontakte.

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gaga - Samstag, 16. Juni 2012, 14:23
Dieser kleine perf subtile Text stimmt mich hoffnungsfroh beim Bohnenkaffee. Sie als Außenstehender kriegen das ja nicht mit, aber als langjährige Analytikerin dieses Blogs wage ich die Prognose, dass sich anhand des leicht gereizten Untertons Vorzeichen vitaler Widerstandskraft erkennen lassen. Man sollte das Transformationspotenzial der kraftstrotzenden Elektrizität angemessener Aggression niemals zu gering schätzen.

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kid37 - Sonntag, 17. Juni 2012, 22:03
Sie benennen es. Glücklicherweise ließ ich diese kraftstrotzende Elektrizität angemessener Aggression nicht am Telefon aus, als mich heute in tiefster Nacht eine mir offenbar unbekannte Frau anrief, um sich meinem Anrufbeantworter gegenüber zu beschweren. Irgendetwas, dessen Zusammenhang mit meiner Person mir völlig schleierhaft ist, müsse sie "sich nicht geben". Als ich das heute morgen abhörte, fühlte ich mich erst spontan schuldig, wie das im Umgang mit Frauen ja nicht unbedingt die falscheste Reaktion ist. Da mir die Stimme der Person aber unbekannt ist und ich derzeit außer dem Baden meiner Hände in Unschuld wirklich nichts anrichten kann, transformierte sich mein Empfinden wieder in leichte Reizung. Verwählt. Und der wahre Adressat pfeift sich eins, der weiß ja von nichts.

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