Ortstermine

Immer fliegt mit Tausendgetöse
das Bahnschiff durch die Lüfte über das Wasser...

(Else Lasker-Schüler, "Die Wupper". 1909.)



Wie lockt man jemanden, der nach dem neuesten Rating in der Stadt Nr 1 lebt? Schwierig. Aber wo andere vielleicht "I'm from the wrong side of town" [Q] jammern würden, lockt man besser ihn (oder sie) in eine Stadt, die in einem anderen Städteranking ebenfalls auf Platz 1 liegt. Spitzenstädte dieser Welt, vereinigt euch! So geht's.



Ironischerweise aber schaltete Wuppertal an diesem Tag die Sonne ein, die Schwebebahn fuhr auch wieder, große Runde also wie sonst nur mit einer Barkasse durch den Hafen oder wie durch ein liegendes Riesenrad im Prater. Österreicher scheucht man natürlich auch gern die steilen Straßen hoch, das lieben sie von daheim. Die Bahn rumpelt an den Rückseiten der alten Fabriken vorbei, zurückeroberte Shed-Architektur ist zu sehen und erstaunliche Biotope auf Dächern und Terrassen. Dann die Farben, womöglich ausgeschenkt von den Lackfabriken am Rande der Stadt. Zwischen sterbendem Grau sind bemerkenswert viele Fassaden in allen Pastellregenbogenfarben frisch getönt.

Wuppertal hat auch Galionsfiguren, daher die vielen Seemänner dort.

Satt & Nacht, den Spanier gibt es zum Glück noch (im Vergleich zu so vielen hanseatischen Enttäuschungen war das Restaurant in der Erinnerung ja bereits zum Mythos gewachsen), der Besitzer freut sich über den Besuch, lobt Fußball und St. Pauli und so glaube ich, daß die verhutzelte, sperrige, ins Tal geklebte Stadt sich ganz wacker geschlagen hat. Ich bin ja immer ein wenig gerührt, wenn jemand Interesse zeigt, so schrecklich viele Vorzeigeecken gibt es ja nun nicht, verglichen jedenfalls mit den Metropolen dieser Welt. Dafür kann ich zu diesen Ecken das ein oder andere erzählen, weiß, woher hier und dort der Staub stammt, aber das muß man natürlich auch hören wollen.

Ausfallschritt | 12:10h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
pappnase - Freitag, 4. Juni 2010, 12:41
die stadt hat einen ganz eigenen charme, sie zeigen es...

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kid37 - Freitag, 4. Juni 2010, 16:50
Und mit einem bockigen Trotz werden da die Stühle aufs Trottoir geräumt, daß man meint, nicht Köln, sondern Wuppertal sei die nördlichste Stadt Italiens. (Bitte keine Kalauer mit "ITalien", die kennt man da ja alle schon ;-))

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nnier - Freitag, 4. Juni 2010, 12:43
Klarer Faller.

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kid37 - Freitag, 4. Juni 2010, 16:48
Wenn ich so aus der norddeutschen architektonischen Rotklinker Monokultur dorthin zurückkehre, fällt mir die Vielfalt der Fassaden und der ganze Schnörkelklimbim um so mehr ins Auge. Glücklicherweise kann man bei Fotos links und rechts alles wegschneiden.

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stapel - Freitag, 4. Juni 2010, 12:55
zu wuppertal fällt mir immer georg weerth ein. und pietistische gebetsgemeinschaften. weiss auch nicht. nixdestotrotz ist der ort oft schön, wegen des engen tals und der früheren wohlhabenheit. selbst der verfall, aber der wird ja leider immer mehr weggeräumt.

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kid37 - Freitag, 4. Juni 2010, 16:46
Und Engels. Sozusagen das regnerische Manchester Deutschlands (musikalisch leider nur bedingt). Kein Wunder, daß dort die Sozialreformer heranwuchsen. (Den Verfall liefere ich vielleicht noch nach.)

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jean stubenzweig - Freitag, 4. Juni 2010, 14:17
Dafür scheint in Hamburg immerzu die Sonne.

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lorilo - Freitag, 4. Juni 2010, 14:39
Aber nur, wenn Herr Kid auf Reisen ist. Das eherne Gesetz wo ich bin, ist immer Herbst gilt doch hoffentlich trotz Sommerausbruch noch. (Worauf soll man sich denn sonst verlassen?)

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kid37 - Freitag, 4. Juni 2010, 16:42
Always The Sun. Hinter den Regenwolken usw.

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lorilo - Freitag, 4. Juni 2010, 16:52
Neue Töne ja fast schon. Gern.

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kid37 - Freitag, 4. Juni 2010, 17:08
Ha. Sie sind doch auf einem Auge blind.

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lorilo - Freitag, 4. Juni 2010, 17:55
Das war jetzt nicht nett.

Auf beiden, wenn's drauf ankommt.

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prieditis - Freitag, 4. Juni 2010, 15:35
Ich bekenne:
IMMER, wenn ich in Wuppertal bin, fahre ich mit dem fliegenden Bus - auch dann, wenn ich ganz woanders hin müsste.
Ich liebe das Gerumpel!

Und was die Stadt noch viel interessanter (für mich) macht:
Wuppertal, das Zentrum der Schmaltextilien. An die 50 Webereien gibt es dort wohl noch... Das ist gelebte Industriegeschichte (die Webstühle erzählen die Geschichte des letzten Jahrhunderts)...

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kid37 - Freitag, 4. Juni 2010, 16:37
Bandwirkereien, Garnfabriken... Ich habe noch den Lärm im Ohr, wenn so 30, 40 Garnspulmaschinen losrattern. Meine Mutter hat mal in so einer Fabrik gearbeitet. Nach der Schule schaute ich ab und zu vorbei.

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prieditis - Freitag, 4. Juni 2010, 18:27
und ich dazu noch die Atemnot auf der Lunge, die zerkratzen Unterarme von der Nadelwalze, sowie die üblen Rückenschmerzen vom Anknoten im Gedächtnis - ich war etwas weitergehend involviert ;o)

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novesia - Freitag, 4. Juni 2010, 16:48
ja, die fotos sind nicht geschönt. ich komme auch seit meiner auswanderung nach vienna immer noch gern ins wtal, wo meine schwester und meine beste freundin wohnen. die alten fabriken, die unverhofften wunderbaren ausblicke, die sich plötzlich vor einem auftun. und die schwebebahn gibt viel schönere ansichten als bus und bahnen in anderen städten. und all der wald drumrum! es gibt parallelen zu wien (alt ottakring ist fast wie rott/loh). es ist nur kulturell ein wenig komisch, find ich.

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kid37 - Freitag, 4. Juni 2010, 17:07
He, noch mal die Achse Wuppertal-Wien! Stimmt, was ich von Ottakring gesehen habe, erinnert wirklich an die Gegend vom Rott und Loh. Nur Schloß Burg kann nicht (ganz) mit Schönbrunn mithalten. Und kulturell... tja, Sie sagen es. Das Fuhlrott-Museum ist zu, jetzt schließen die noch das Schauspielhaus und wie das Tanztheater nach Pina Bauschs Tod weitergeführt werden soll. Die Bergischen haben lieber Werkzeug in der Hand, Kultur ist den pietistischen Protestanten dort suspekt.

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ladys smock - Freitag, 4. Juni 2010, 23:50
Wissen Sie eigentlich wie faszinierend Ihre Beschreibungen von Teilen Ihres Lebens sind?
Ich kann mir vorstellen, dass man alleine dadurch plötzlich merken könnte, dass man sich in der Nähe des Café Congo befindet. Nur weil Sie Stimmungen in diesem eigenen Wortreichtum wiedergeben und auf einmal weiß man, jetzt ist man hier. Ja, hier muss es gleich sein. Und es stimmt.

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kid37 - Montag, 7. Juni 2010, 01:04
Und dabei habe ich noch nicht einmal den berühmten bergischen Jodler zum Besten gegeben. Wie der im engen Tal von Bergwand zu Bergwand rollt!

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