Videokunst ist an und für sich nur selten meine Welt. Es ist nicht so, als hätte mich nicht die ein oder andere Arbeit fesseln können, der kleine VW-Käfer etwa, der sich unermüdlich einen Berg hochquält. Aber für viele Dinge, die auf dem Konzept von Zeit basieren (konzertante Aufführungen!), habe ich zusehends weniger... Zeit. Dazu kommt, daß die meisten Kunstvideos auf kleinen, flackernden Monitoren präsentiert werden, die irgendwo zufällig im Ausstellungsbereich abgestellt sind (also dort, wo keine Wände mit Bildern zu füllen sind). Manchmal setze ich mich dann dorthin, aber eigentlich nur, um die müden Beine auszuruhen und etwas abgestandene Museumsluft zu schnappen. Fürchterlich.
Entsprechend gemäßigt erwartungsvoll besuchte ich die Präsentation der - Zitat - "bedeutenden Sammlung von Julia Stoschek" in den Deichtorhallen. Die nicht unbedingt an Verschüchtertheit leidende junge Coburgerin hat in den letzten Jahren eine beachtliche Sammlerkarriere hingelegt. Das klingt referiert meist so: BWL-Studium, dann Kunstinteresse, kurzentschlossen einige der wichtigsten Multimediaarbeiten gekauft, wie man das so macht, eine Sammlung begründet und, man braucht ja Platz und will auch was zeigen, mal eben gefühlt mehrere zehntausend Quadratmeter eines alten Fabrikgebäudes in Düsseldorf zum eigenen Museum umgebaut (e.V.). Um nicht ganz zu versauern, engagiert sie sich nebenher fürs Berliner KW und sitzt (man kann nicht immer rennen) seit 2008 auch in der Ankaufkommission des New Yorker MoMa. Mama, Hilfe!
Ein Geflecht von Stiftung, Sammlung, Sammlerin und bestalltem Kunst-Kommissariat hält das Luftschiff "Stoschek" seither auf Kurs, und man muß das nicht neiden, sondern beachtlich finden. Getreu dem Vorbild des edlen Stifters begrüßt den Besucher dann auch das überlebensgroße Porträt der Stoschek am Eingang der Sammlungsschau. Aber da finde ich das bereits schon wieder sehr ironisch, man muß die Dinge eben richtig machen und nicht auf halbem Wege zaghaft das Hindernis verweigern. (Juniorenspringmeisterin war sie übrigens auch.) Kurz und vorab: Ist super.
Zahlreiche beeindruckende und vor allem beeindruckend präsentierte Arbeiten zu sehen: wenig Monitore, viele Leinwände, manche in einen kleinen Lastenaufzug gezwängt (sehr schöne Idee), andere als zum Teil großräumige Installationen mit Split-Screens und Panoramablick (z. B. das wunderbare "True North" von Isaac Julien), darunter Klassiker von Hannah Wilke, Carolee Schneemann, Pipilotti Rist, Marina Abramović bis zu Schlingensief und, tatsächlich, Björk. Man sieht Männer, die aus Häusern brechen, Frauen, die ihren Nachbarn beglücken (endlich eine Kunstausstellung ohne verschämten "ab 18"-Bereich), tanzende Menschen in S-Bahnen (Tanzen statt Streiten, sage ich doch), Frauen durch Duchamps "Großes Glas" betrachtet, Diven in zerhackten Filmsequenzen (merke: Polanskis "Ekel" noch einmal sehen), Dinge, die man nicht versteht, andere, die man witzig findet und immer wieder das Thema "Zeit".
Die allerdings braucht man für den Besuch, weshalb - sehr umsichtig - die Eintrittskarte gleich an zwei Tagen gültig ist.
("I want to see how you see" - die Julia-Stoschek-Sammlung in den Hamburger Deichtorhallen. Bis zum 25.7.2010)
>>> Webseite der Julia-Stoschek-Collection