But you couldn't hurt me if you tried
(New Order, "Primitive Notion")
Wie schön es draußen taut. Plusgrade in der Hafenstadt, der Hof bietet dem anstoßenden Auge ein von Silvesterböllern übersätes Bild. Die weiße Decke über Nacht weggezogen, splitt- und sandgeschunden zeigt der Asphalt frische Narben, Töne von Grau, herzwarmes Anthrazit, gekrümmte Hundehaufen - womöglich noch vom letzten Jahr.
Beim Tätowierer sitzen farberfrischte erste Menschen und lassen sich die Seepferdchen nachstechen. Nadelklappern, ein erdolchtes Herz aus Blut gestrickt. Vorm Lokal "Zur welken Rose" stellt der Wirt vergilbte Monoblocks nach draußen, gleich ist Ostern, dann schon wieder Herbst.
Im Segelschlußverkauf alte Hoffnungen im Dreierpack. Mir eine vorgefertigte Jahresbilanz, zehn Stück mit Steuersparrabatt. Mit verbrühten Händen zählt ein alter Mann sein Geld, über ältere Narben legt sich ein weiteres Geflecht.
Die Nacht dann, später, voller Mond und nur ein trunkener Hund, der heult. Im Ohr 1963, man kann die Tage langsam runterzählen. Eine verblichene Kreidezeichnung, Reste aus dem Sediment geschält, das Eis auf dem Kanal pumpt und ächzt, ein Grollen hebt sich aus der Tiefe. There were too many ways that you could kill someone/Like in a love affair, when the love has gone. Damals in der D-Jugend sangen wir noch frech und matschverschmiert "Wir sind doch nicht aus Limonade". Als das Spiel dann vorbei war.
(Aktentaschendeckel? Na ja, für den Unterarm ist er auf jeden Fall zu lang.)
Schön, trotzdem.
[Sie erinnern mich ein bisschen an einen hinreißend schlecht gelaunten Mann meiner Vergangenheit, der zum Thema Frühling nur meinte: "Der käme ja auch bloß, damit es dann wieder Herbst würde."]
Ich dagegen, ich habe nach stundenlangem Rumgelaufe zwei Schneeglöckchen im Tiergarten gesehen.
Die frische Brise ist gerade ein wenig übertrieben, ich weiß nicht, wer da immer so einen Wind machen muß. Und gleich zwei? Die Hauptstadt übertreibt ebenfalls mal wieder.
Ich hab ja keine Lieblingsjahreszeiten - nur Unzeiten, aber die geht grad vorbei.
Glimpflich aber auch hier. Zumindest in meinem kleinen Teil der Stadt.
Aber die ganz mutigen, so wie Sie und auch ich, wir hören die auch im erwachenden Frühling.
Okay, es liegt mehr Rollsplitt rum. ;o)
[Herr Kid hat das offensichtlich getan, wenn ich mir den jungen Herrn da so ansehe.]
Ein wunderbares Video übrigens aus meiner Großschüppenzeit. (Noir Désir hören ja manche nicht mehr aus Gründen. Immer dieses Problem, Künstler und Werk hinreichend zu trennen.)
[Großschüppenzeit. Grübelgrübel. Eine Schüppe ist in meinem Sprachgebrauch ja ein Schmollmund - so nicht das profane Gerät gemeint ist. Klären Sie mich auf?]
So?
Ja. Ist es - auch. Schmollmund=Schüppe=Schnute. Mit dieser erhellenden Erkennis versehen, wünsche ich Ihnen einen zauberhaften Abend ohne Schüppe auf'm Kopp oder anderswo.]