Drehtagebuch, #1
In meinem neuen Film Eiskalt - A Hamburger Love Story spiele ich den brutalen Leibwächter eines hartgesottenen Kiezbarons. Da es sich um das Genre einer rabiaten Komödie handelt (deshalb auch die tätowierten Hände), meinte meine Schauspielagentin, das ginge schon ok, ich müsse einfach einen Drei-Tage-Bart tragen, den Geist von Viggo Mortensen channeln und dazu mein Buster-Keaton-Gesicht ziehen.
Heute stand eine Szene auf dem Drehplan, die man für gewöhnlich ans Ende der Arbeiten legt, für den Fall, daß dem Darsteller etwas passiert. Weil wir hier in Hamburg sind, also authentisch, war es aber die Auftaktszene. Zum Warmwerden. Laut Skript mußte ich im Halbdunkel auf einer Nebenstraße in St. Pauli (wir drehten aber woanders, im Film wird ja grundsätzlich gelogen), zielstrebig übers Eis gehen, werde dabei aber von einem unsichtbaren Gegner niedergeschlagen (es ist ein bißchen auch eine surrealistische Komödie). Da ich meine Stunts immer selber mache, schickte ich mein Körperdouble also zu Dittsches Imbiß und absolvierte derweil eine meiner berühmten One-Take-Scenes (Ich hasse Wiederholungen, vor allem bei der Arbeit). Also los, zielstrebig übers Eis, dabei eine Tasche mit Einkäufen für das Abendessen mit dem Kiezbaron in der Hand - und zack! schlug mich mitten auf dem vereisten Bürgersteig dieser feige Mistkerl von einem unsichtbaren Gegner nieder! Alles nach Plan, bis auf eine umstehende junge Dame, die den Unsichtbaren natürlich nicht sehen konnte und sich wunderte, warum dieser wie ein durchtrainierter Bodyguard wirkende Bär-von-einem-Mann (damit bin ich gemeint) urplötzlich der Länge nach über das Eis schlitterte, dabei aber die Rutschpartie geschickt (ich bitte darum) mit seinem Gesicht abbremste (die Hände hatte ich ja nicht frei, weil:) und dabei seine Einkäufe verbissen mit den Händen umklammerte verteidigte (wenn ich einen Auftrag habe, habe ich einen Auftrag).
(Da es sich um eine A-Produktion handelt, konnte ich, als sich die junge Dame besorgt über mich beugte, den berühmten B-Film-Spruch "Lassen Sie mich liegen, allein können Sie es schaffen" nicht bringen.)
Pesto gerettet, Gelenke gestaucht, Kopf ein Brummschädel - aber alles für die Kunst. Es wird mein Durchbruch nach Hollywood sein, die Sterne kann ich schon sehen. Good Night, and Good Luck, ich leg' mich jetzt aber lieber kurz mal hin.
Schlimm, dass man in solchen Situati Szenen zu der umstehenden jungen Dame nicht mal nett sein kann. Ich jedenfalls war nach meinem letzten Stunt (ein Fahrrad kam auch drin vor) dermaßen mit mir selbst beschäftigt, dass ich am drehbuchgemäßen Lächeln ("Danke, es geht schon! Aber haben Sie evtl. Lust, einen Kaffee mit mir zu trinken?") sponatn vorbeiimprovisierte ("Lassen Sie mich, gehen Sie einfach weiter.")
Der Regisseur meinte, wir müßten die Szene heute abend doch noch einmal wiederholen. Überlege, diesmal ausnahmsweise mein Double vorzuschicken und dann an der Stelle zu übernehmen, wo ich der jungen Dame beruhigend zurede. ("Es wird alles gut, ich hol sie hier raus!")
dass Ihnen auf dem Boden liegend nicht der Satz entfleuchte "Mir ist kalt." Dann wären Sie nämlich gestorben. Noch nie hat im Film ein Verletzter diesen Satz gesagt und überlebt.
Oh ja. Und dann das weiße Licht. Dabei waren es nur Scheinwerferlichter, die auf den Schnee fielen.
"Egal was passiert, sieh nicht hin!" hätten Sie als balance-entwöhnter Bürostuhlhocker Held der jungen Dame schon noch zuraunen können, ja müssen!
Ja, geschieht mir recht! Leider war mir die Dame nicht näher bekannt. Gute Gelegenheit sonst, ein paar Jahrzehnte zurückliegende Konflikte anzusprechen. "Weißt du, *ächz* damals, die Sache mit deiner Lieblingspuppe *ächz*, ich habe das nicht so gemeint. Ich war *ächz*, ich war *ächz*..." - "Schhhhhh", würde sie antworten, "ich habe dir längst verziehen. Aber sprich weiter, sprich einfach weiter, hörst du? Du darfst jetzt nicht einschlafen!"
(war gestern in Hamburg. Ich schäme mich jetzt richtig wegen meinem Spott. Und: aua!)
Der Beweis: Dieses Blog übertreibt nicht! Gestern tagte im Rathaus der Winterdienst-Krisenstab. Leider sind die Spezialkräfte alle am Hindukusch, jetzt müssen echte Notfallenteisungspläne her.
(Ich hoffe, mehr als blaue Flecken waren's nicht.)
("Nein, nein, keine Umstände. Es ist nur ein Streifschuss.")
hey, ich auch! vorher allerdings lübeck, ich habe mich lieber dort gemault, wie die norddeutsche jugend es liebevoll nennt....
Hey, ich vorher Grevesmühlen! Sagen Sie doch was! Für was haben Sie denn ein Blog?!
damit sie mir dann die wohnung ausräumen in der zwischenzeit? nene. ist ja nicht twitter.
sich in Ihren Einkäufen nicht Pralinen, Kekse oder ähnliches, dann hätten Sie der jungen Dame einen Happen anbieten können - das ist oft der Auftakt für eine wundervolle Romanze.
Brot, Tagliatelle, Pesto. Gut, der Rach, der hätte da jetzt schnell was draus gezaubert. Oder ich hauche beim nächsten Mal: "Alles gut. Aber, sagen sie, haben sie einen heißen Herd?"
"Können Sie kochen?", wäre meine erste Wahl gewesen. :)
Die Szene mit der dunkeläugigen netten Nachbarin, die heute abend bei Ihnen klingeln wird (die Blutspuren im Treppenhaus haben ihr den Weg gezeigt), um sich sehr lieb nach Ihrem Befinden zu erkundigen und Ihnen einen stärkenden Punsch ans Lager zu bringen, ist die schon im Kasten?
Diese Szene steht am Ende des Drehplans, weil Penélope Cruz vorher keine Zeit hat. Das ist ein bißchen schade - vor allem, weil mir dann einer aus dem Team noch mal ins Gesicht schlagen muß, damit es bei den Verletzungen keinen Anschlußfehler gibt. Na ja, Method Acting ist Method Acting. Hilft nix.
Sie schaffen es aber auch, einem die Tränen vor Lachen statt vor Mitleid in die Augen zu treiben. Und wer den Schaden hat, bekommt den Spott noch kostenlos hinterher geschmissen: Wie war das doch gleich mit dem "Schliddern über die eisbeschuppten Bürgersteige"? Gute Besserung, einen Oscar für den besten Stunt und leckeres Essen, das hilft immer und gegen alles.
Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall, insofern geschah ja alles mit Ansage. Heute morgen bin ich ein Stück auf der Fahrbahn einer Einbahnstraße gelaufen, die Fahrbahnen sind ja alle frei. Radwege, Bürgersteige - egal. Der
Taurus Award wäre natürlich eine große Ehre.
Gut, daß ich Drehbücher vorher immer lese. Solch eine Scene hätte ich ja sofort ins Bett verlegt.
Ja gut, Sie sind Weltstar. Außerdem, vergessen Sie nicht: Ich wurde ja von dem unheimlichen Unsichtbaren niedergeschlagen. Den wollten auch Sie nicht im Bett haben.
Stimmt wohl. Da hätte viel umgeschrieben werden müssen ... :-/
Diesmal ohne Blut und Metzgerin - Sie wiederholen sich wirklich nicht, Respekt.
Nach meinem fulminanten Überraschungs-Debüt
Saftlos im Supermarkt mußte einfach ein Genrewechsel her. Statt
romantischer Splatterballade mal eine
eiskalte Slapstick-Romanze.
Interessant! Ich spiele gerade in einem sehr ähnlichen Film mit: Der Tod, der aus dem Eis kam. Meine Rolle besteht hauptsächlich darin, ängstlich durch kleine, enge Straßen zu schleichen. Gestern allerdings hatte ich eine sehr anspruchsvolle Szene. Ich wurde von unsichtbaren Händen, die von unten aus dem Eis kamen und nach mir griffen, auf den Boden gezogen. Als ich dann der Länge nach im Schnee lag, musste ich laut Drehbuch hektisch um mich blicken und entsetzt rufen: "Himmel, hoffentlich ist die Flasche mit dem Rotwein tödlichen Virus, das die ganze Welt vernichten wird, nicht kaputt gegangen." Leider kam mir kein männlicher Held zu Hilfe. Vielmehr musste ich mich alleine weiter durch diese Eiswelt kämpfen und das tödliche Virus sicher an einem geheimen Ort vor finsteren Gestalten verwahren.
Wenn ich das alles so bedenke, sollte ich vielleicht noch mal neu über meine Gage verhandeln...
Und ebenfalls ohne Stunt-Double, Respekt! Und es klingt, als wäre als Requisite kein Dummy, sondern echter Rotwein Bio-Kampfstoff verwendet worden. Dazu schummriges, natürliches Licht - Sie drehen da offenbar einen Dogma-Film. Wahre Kunst, fantastisch.