In meinem launigen Erinnerungsbuch Die Bohème lebt unterm Dach - und macht Krach beschreibe ich, wie ich morgens nach dem Aufwachen oft noch fünf Minuten im Bett liegenbleibe, um den richtigen Spirit zum Aufstehen zu finden. Dabei atme ich hin und wieder geistesabwesend Ektoplasma aus, einfach, weil ich es kann, so wie andere gelangweilt Kaugummi kauen oder eine rauchen, materialisiere also irgendwelche Geister, meist die der Vergangenheit, tobende Chefs etwa, die mit dem Zeigefinger auf ihre Armbanduhren klopfen, oder klagende Frauen, die mir aus irgendwelchen kargen Nebellandschaften heraus vergessene Einkaufslisten hinterherrufen.
So mancher, der wie ich im Herbst seines Frühlings steht, interessiert sich vielleicht für mein neues Buch Der Tod traf mich lebend an. Dies wird in einer zugigen Kate im schottischen Hochmoor entstehen, wo ich - nur von einem Raben begleitet, der mir zum Aufstehen Schicksalslieder singt - ein paar Herbstwochen lang Lebensmaximen und -weisheiten zusammentragen werde. Zum Beispiel im Kapitel "Ein Tier, das faucht", Erkenntnisse aus dem Leben mit einer Katze. Der Volksmund sagt, die Katze habe neun Worte, wenn ihr also plötzlich eines fehlt, hat sie lange Zeit ein weiteres bereit. Das ist praktisch in öffentlichen Diskussionen, in denen es einem häufiger mal die Worte verschlägt. Die Katze bleibt hier unbeeindruckt, leckt ihr Fell und greift sich das nächste.
Oder auch das Kapitel "Klaviererzählungen" mit einzelnen Klängen zum Nachhallen und Nachhören, wie in einem Traum. Einer dieser Selbsterzählungen beginnt so: "Als ich eines morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand ich mich in PJ Harvey verwandelt und führte fortan ein recht interessantes Leben mit zwei Klavieren und mehreren Gitarren, die mir selbst gehörten." Seither übe ich über Rollen von Notenpapier gebeugt magisches Denken, unterteile das Leben in schwarze Tasten und weiße Tasten und probiere dazu einen Moll-Akkord. Momm.
Im sogenannten "wahren Leben" stattdessen aber Sturm, Geklapper unterm Dach, losgezerrte Segelboote, Notizzettel und Sätze voller Doppel-Konsonanten (wer hier mal nachzählen möchte). Will man da raus und aus Büchern deklamieren? Korken in den Wind spucken, um nicht deutlich, aber eben lauter zu sprechen? Windsbräute am Kragen packen oder vom Wind verwehte Möwen abwehren? Alter Mann, müde, murmle ich. Stopfe Kleider, putze Schuhe, mach den nächsten Plan.
Danke für diese Perle, die ich (bald 56) sogleich in meinen autobiographischen Aphorismenschatz aufnehmen möchte.
(hat mich soeben stark inspiriert, altes Obst und Gemüse zu posten!)