Jetzt nicht gleich schimpfen. Ja, ich war in der großen Stadt. Ja, ich habe niemanden Bescheid gesagt. Es war aber auch nur eine Bravo-Beatles-Blitztournee (für die Älteren unter uns) und obendrein ist es nicht ja nicht immer und unter allen Umständen für Umstehende angenehm, auf der Straße erkannt zu werden. So übte ich putzig maskiert wie ein Berliner Straßenrapper ein Mimikry mit den mich umgebenden Wänden, kurzes Abklopfen, ob alles noch da und dort oder schon wieder ganz anders. In dieser großen Stadt rückt ja alles immerzu zurecht, so wie manche die Möbel in ihren Wohnungen. Bis alles endlich richtig ist. Also nie.
Mich aber lockte man mit falschen Hinweisen auf eine andere Stadt (Wien, na da schau an!), dann aber saß ich quasi mittenmang, redete mich um Kopf und Kragen und ließ dabei mein Knie einrosten. Fröstelnd im Bikini, das wiederholen wir dann noch mal, Antonioni im c/o hingegen ein gar nicht aufgeblasenes, sondern dezent erhellendes Blow-Up, auf Leinwänden räkelt sich Veruschka, rennt die junge Vanessa Redgrave durch den Park. Sehenswert ist neben den Fotos von David Bailey die erstmals gezeigte Sozialreportage von Don McCullin, mit den Fotos, die auch im Film auftauchen. (Hier ein Bericht zur Ausstellung im letzten Jahr in Wien.)
Wer mal Ringbahn fahren möchte, dem verrate ich den Trick, der mir erstmals verständlich erklärt wurde. Ob man im Uhrzeigersinn fährt oder nicht, zeigen einem nämlich die kleinen Symbole an der Zuganzeige auf dem Bahnsteig. So weiß man sofort, in welche Richtung man unterwegs ist oder ob man den Bahnsteig wechseln muß. Dead easy sozusagen, es gibt also tatsächlich Dinge mit Sinn und Verstand in dieser Stadt. Ihr wußtet das alles schon, ein epiphanischer Moment aber für mich, der ich mich jahrelang dort nur im Kreis gedreht hatte. Dabei ist es wie bei Kafka: Du mußt nur die Laufrichtung ändern!
Ja, Bernau, Oranienburg oder der Wannsee - das ist für unsereins alles irgendwie so, wie soll ich sagen, jwd.
Ansonsten spielt da aber auch mit hinein, welche emotionale Beziehung man zu der jeweiligen großen Stadt hat. Meine anglophile Verflossene hätte früher mühelos den Plan der Londoner U-Bahn aus dem Gedächtnis nachzeichnen können, aber in der Pariser Metro wäre sie unweigerlich verschütt gegangen, weil da die Info west bound oder east bound nicht mitgeliefert wird. Ich hingegen fühlte mich in der "tube" völlig verloren, hatte aber dafür in Paris keine große Mühe, immer die richtige Metro-Linie zu finden.
(Hab ich das gerade gesagt?!? Oha.)
Ich stelle das ja auch an mir selber fest - ortsunabhängig - dass ich mit zunehmendem Alter Freude an alltäglichen Dingen zu empfinden in der Lage bin. Das erhöht die Lebensqualität ungemein. Wenn dann erst wirklich spektakuläre Erfreulichkeiten eintreten sollten - dereinst -, wähnt man sich voraussichtlich im Paradies. Scheint mir zumindest psychologisch-dramaturgisch schlüssig. Ich habe vor, dieses Programm weiterhin straff (mit eiskalter Berechnung) durchzuziehen!
Immerzu stand ich wie ein Junge aus
B-Movie: Lust & Sound in West-Berlin
Der dürre Blixa Bargeld, der in der Bar Risiko die Gäste besoffen macht. Der ernste Nick Cave, der an der Wand seines Zimmers in einer Berliner Wohnung „deutsche Gothik“ sammelt. Die coole Gudrun Gut, die vor dem Dschungel steht und Clubs aufzählt, in die man ab 2 Uhr gehen kann. Die tödliche Doris, die auf dem unwirtlichen Potsdamer Platz singt. Und zwischen Mauer und Brandmauern, Alt- und Neubauten, Mania D und Westbam: Der britische Musiker, Labelmacher und Militärfetischist Mark Reeder aus Manchester, dessen Begeisterung für mauerstädtische Elektromusik ihn Ende der Siebzigerjahre nach Berlin verschlagen hat, wo anscheinend – und zum Glück! – alles mitgefilmt wurde was er erlebte.
https://www.berlinale.de/de/programm/berlinale_programm/datenblatt.php?film_id=201503685#tab=video25
In dem von Ihnen verlinkten Text ragt auch der letzte Satz heraus, der etwas über die Rivalität der alteingeflohenen Mauerstadt-Berliner gegenüber den Post-90er-Nachzüglern verrät. Nehmt das, alte, graue Männer!
aber irgendwann kommt man ja doch an.
Sarah, Simon, Otto, Paul - oder welcher Wiener ; )))
Ich weiß ja nie, ob ich mit der nun warm werd oder nicht.
@kid
Das ist auch der Brotdealer meines Vertrauens.
Bei meiner Lieblingsfiliale reichts, wenn ich mich an die Budel stell und bekomme umgehend mein telefonisch bestelltes Packerl. Man kennt sich (nun aber auch schon seit Jahren). Schönes Gefühl.
Ich hab mich jetzt mittlerweile (wieder) schlau gemacht, warum die Feinbäckerei diesen Zusatz im Namen trägt. Jetzt kann ich das wie immer vergessen, bis ich zum nächsten Mal drüber stolper ; )
Ins neue c/o muss ich unbedingt auch bald.
Der Tip mit der Ringbahn ist super. Das mit dem Sitzenbleiben klappt nämlich nicht. Irgendwann, völlig unvermittelt, biegt die doch ab.
Ich würde ja nie Vorwürfe machen, schon alleine, weil ich selbst gerade inkognito-Reisepläne im Kopf habe. Das muss drin sein. Wenn man immer jeden über alles informiert, wird an einem gezerrt und ein schlechtes Gewissen vermittelt, wenn man sich nicht verabredet - sehr nervig! Haarscharf bin ich nicht zum opening am letzten Freitag - mir war nicht nach Supermarkt (c/o-openings sind ja immer unterträglich voll). Oder waren Sie gar nicht am Freitag? Jedenfalls war Veruschka da, aber es gibt nur das eine Foto aus diskreter Distanz (mit Holger Trülzsch, links im Bild) , sie hat es nicht mehr gerne, abgeschossen zu werden. Die Lore Krüger-Bilder interessieren mich eigentlich mehr, Blow Up kenne ich ja in- und auswendig.
Im Buchladen habe ich noch ein Fanzine, das komplett Kim Gordon gewidmet war, entdeckt. Sehr korrektes Reisemitbringsel.
Aber ich habe den Herrn Kid ja auch noch nie in echt gesehen.
Hier der? Könnte sein. Ich selbst habe mich, ehrlich gesagt, auch noch nie gesehen, wie man mir durchs Brillenglas filmt. Interessant, so eine 08/15-Type könnte man vervielfältigen und gleichzeitig auf alle möglichen Vernissagen schicken. So wie Kraftwerks Roboter. Das wäre wirklich praktisch. Man muß sich - wie immer im Leben - aber selbst auseinanderhalten können. Auch nicht immer einfach.