Laßt die Bären los!

Bedenklich, aber wahr: Dieses Jahr war ich in Wien gar nicht bei den toten Tieren. Dafür bei noch lebenden, was ein völlig anderes Erleben war. Man kommt gar nicht wirklich hinterher vor lauter Gewackel und Gerenne, Versteckspiel und Rückenzuwenderei. Die machen das extra, möchte man meinen. Üben sich in lässiger Arroganz, flüchten sich in aufgesetzten Hospitalismus, halten kleine Plakate hoch, auf denen steht: Laßt uns bloß in Ruhe!



Denn nicht alle Tiere sind gleich und nicht jedes möchte gleich gerettet werden. Gerade über Tiere im Zoo sind viele Vorurteile im Umlauf. Längst nicht jeder Ameisenbär hat ein Konzept von "Freiheit" und würde sich schön bedanken, gingen plötzlich alle Gatter auf, und der wirklich sehr schnelle Gepard preschte unvermittelt wie ein Kampfradler unbeleuchtet aus dem Gebüsch. Oder die immer etwas überhysterischen Erdmännchen, von Natur aus kurz vorm Herzklabastern und für Unruhe und Neststörerei nur schwer zu begeistern. Andere (ich will keine Tiernamen nennen) liegen sowieso lieber faul gemütlich im Heu eingemuckelt vor der weit zum Freigehege geöffneten Türe in ihrem Unterschlupf und warten wie ein Fensterbrettrentner auf die Stunde, da der Pfleger mit dem Futter kommt.



Im Tiergarten Schönbrunn gibt es all das zu entdecken, zu beobachten und wenn man will auch bloßzustellen. Im Caféhaus im Zentrum der Anlage konnten früher Kaisers sitzen und frühstücken und dabei Laufvögel und Großkatzen beobachten, während sie Gebäckstücke in übergroße Kaffeetassen tunkten. Heute könnte man sich im wie eine brasilianische Fußballweltmeisterschaftssportstätte überwarm beheizten Tropenhaus bis auf die Socken vielleicht ausziehen und mit bunten Faltern Samba oder Lindy Hop tanzen. Winterfell oder Überjacken abwerfen und mit exotischen Tieren hitzige Gespräche führen. Und wem zuguterletzt wie nach drei Tagen in der Eistonne ist, kann den Eisbären beim Tauchen zuschauen.



"Die Menschen sind schlecht" singen Kreisky. Deshalb wären vielleicht auch die nervigeren unter den Besuchern besser selbst in Gehegen aufgehoben. In-den-Weg-Stolperer, Tier!-Tier!-Tier!-Kreischer oder Teenies, die mit Mobiltelefongeräten in Tierunterbringungen blitzen, an denen Schilder angebracht sind, auf denen deutlich steht: "Bitte nicht blitzen". Denen könnte man freundlich die Braunbären an die Leine geben. Es wäre ein gemütliches Flanieren dann unterm schwarzen Sonnenschirm mit einer dunklen Kaiserin am Arm. Langsam, bedächtig und bemüht, den Tieren ein klitzekleines Stück ihrer Würde abzuschauen.

>>> Geräusch des Tages: Gustav, Rettet die Wale

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ana - Samstag, 12. Juli 2014, 13:27
Eine Krone habe ich zwar nicht - Gott sei Dank - aber einen beigen antiken Sonnenschirm mit Elfenbeingriff. Mit ihm könnte ich doch tatsächlich mal im Nürnberger Tiergarten spazieren gehen. Die Nähe der Elefanten würde ich damit aber lieber meiden, die halten mich sonst noch für ein Mörderweib. Wo ich so beschirmt dagegen bestimmt vorbei schauen würde, wären die überaus eleganten rosa Flamingos.
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kid37 - Mittwoch, 16. Juli 2014, 21:39
Rosafarbene gab es dort auch ganz viele, es stach einen in die Augen. Sonnenschirm mit Elfenbeingriff klingt exquisit, Madame!

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frau eff - Samstag, 12. Juli 2014, 14:14
Haben Sie sicher Recht, dass die Tiere im Zoo unrechtmäßig vermenschtlicht werden, wenn man ihnen nur als Gefangenenhilfsorganisation gegenüber tritt. Es ist vielleicht mehr die Heuchelei, es ihnen dort an nichts fehlen zu lassen, und ihnen überall sonst die Lebensgrundlage zu entziehen, aus Gier.

Ich würde gerne mit dem schönen Ameisenbär flanieren.

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kid37 - Mittwoch, 16. Juli 2014, 21:47
Der hospitalisierte da ein wenig rum, wenn er nicht gerade Päuschen machte. Laufwege wie auf dem Schnittmusterbogen, der hätte bestimmt gern einen Gang gemacht - vielleicht zu den Blattschneiderameisen (Serviervorschlag).

Derzeit wird viel diskutiert, über Bürgerrechte für Menschenaffen, die Abschaffung von Zoos insgesamt... Ich halte mal fest, daß die meisten Zootiere in gutgeführten (!) Zoos älter werden als in freier Wildbahn. Daß sie in Gefangenschaft nicht dieselbe Vielfalt an Reizen erleben, ist ein Problem. Aber für jedes einzelne Tier? Es gibt hundsfaule darunter. Ich kenne sogar Menschen, die mit Fußball und TV zufrieden sind, während andere Radfahren und Tanzen gehen.

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gaga - Samstag, 12. Juli 2014, 14:38
Ich hätte gerne mehr Bilder von dem schönen Pavillon - ist das das Kaffeehaus? Tiere gibt''s überall, aber nicht so einen Pavillon!

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kid37 - Mittwoch, 16. Juli 2014, 21:53
Das ist richtig, der ist rundherum sehr kaiserlich. "Schnitzl mit Ausblick auf Geparden" lautet eine Werbung, ich vermute aber mal, das Schnitzl selbst stammt woanders her.

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nemorosa - Samstag, 12. Juli 2014, 17:46
Zu Kaisers Zeiten war der gewohnte Zustand von Tieren vermutlich weniger eingesperrt als ausgestopft; auch eine Spielart von "würdevoll".

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kid37 - Mittwoch, 16. Juli 2014, 21:58
Auf jeden Fall! Ich gehe zum Tierbesuch ja sonst nur ins Naturhistorische Museum. Die haben oft ganz interessante Vorträge. Gerade eben hat z.B. begonnen: "Vom toten Vogel zum fertigen Präparat. Arbeitstechniken in der Zoologischen Hauptpräparation". Viele Tiere wären uns ja ohne Präparate gar nicht mehr anschaulich. In Deutschland wird ja meist nur noch die Wurst eingepackt.

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nemorosa - Donnerstag, 17. Juli 2014, 19:38
Und da halten sie wenigstens still, die Viecher. (Ausstopfen können wäre überhaupt praktisch; man denke nur an all die Unglücksvögelchen von der Terrasse ...)

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kid37 - Samstag, 19. Juli 2014, 22:37
Eben. Beim Malen ungeheuer praktisch, dieses Stillhalten.

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kaltmamsell - Samstag, 12. Juli 2014, 18:45
Ameisenbär! Firefox! Pinguine! Nashorn! Sie haben mit praktisch allein meinen Zoolieblingen gekuschelt. (Vielfraß?)

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kid37 - Mittwoch, 16. Juli 2014, 22:03
Der Firefox war viel interessierter an Besuchern als sein großer Vetter der Explor Große Panda. Der mümmelte nur an seinem Bambus herum. Vielfraße haben die, glaube ich, gar nicht dort. Jedenfalls habe ich keine gesehen (also abseits der sich aufdrängenden witzigen Vergleiche). Auch das Tropenhaus mußte ich auslassen, das war so heiß und feucht, da konnte ich nur gebückt gehen wie beim Gauchota Kohlenschleppen.

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maphisti - Donnerstag, 17. Juli 2014, 00:27
Also, Tiere im Zoo tun mir leid, das war schon immer so. Ich finde ja Menschen, zumal in Wien oder gar Berlin, ungleich interessanter und auch irgendwie befreiter.

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kid37 - Donnerstag, 17. Juli 2014, 01:10
Mist, jetzt muß ich grad ganz viele super Pointen runterschlucken. Befreite Menschen? Sagen wir mal so: Ich habe schon Tiere tanzen gesehen. In Zoos.

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kid37 - Donnerstag, 17. Juli 2014, 01:19
(Wobei das eine wirklich wunderbare Vorstellung ist. Ich sehe schon die Erdmännchen - in ihrem sicheren Gehege, es ist also nur im Zoo möglich - wie sie über die eitlen Könige spotten: "So geh'n die Löwen! Die Löwen gehen so!")

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maphisti - Donnerstag, 17. Juli 2014, 15:37
Ich glaube, ich kann mir die Pointen schon denken. (Tolle Ideen!)

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sid - Donnerstag, 17. Juli 2014, 01:29
Wie so oft eine sehr gelungene treffende Beschreibung.
Ich mag Ihre Wien-Beobachtungen immer sehr gern.

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kid37 - Samstag, 19. Juli 2014, 22:36
Die Stadt macht es einem aber auch einfach!

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kreuzbube - Donnerstag, 24. Juli 2014, 15:02
Ein solch hübschen Iguana iguana hatte ich auch einmal. Den führte ich an einem Katzengeschirr auch aus. Das macht was her, als Knirps so ein 1,80 m langes Reptil an der Seite zu haben. Hielt man ihm ein Salatblatt vor die Nase, ging er wie Godzilla auf zwei Beinen.

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kid37 - Freitag, 25. Juli 2014, 14:56
Vermutlich auch zur Freude der Nachbarn, die von keinem kläffenden Hund gestört wurden oder bei einer Katze um ihre Vögel hätten fürchten müssen.

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