Wenn man unvermutet und übersichtslos hineinfällt, fühlt man sich selbst bald wie einem Schützengraben. Labyrinthisch aufgebaute Schauvitrinen, Plakatwände und Leinwände und Monitore zwängen einen in enge, verstellte Wege, während im Kinoraum einen links und rechts Propagandafilme anbellen, Ertüchtigungs- und Durchhalteparolen aufblitzen oder marschierende Truppen auf einen zustapfen. Die Ausstellung "Krieg und Propaganda 14/18" im Hamburger MKG lebt von der Fülle des Materials. Offizielle Plakate, erstaunliche Spielzeuge, aber auch viele Erinnerungstücke aus Privatbesitz versuchen, einen Eindruck von der kriegsbegeisterten Zeit des ersten, modernen Vernichtungskrieges zu vermitteln.
Darunter sind "Scrapbooks", also frühe Tumblr-Blogs, in denen unsere Urgroßeltern Zeitungsauschnitte, Briefe und Fotos klebten. Zeichnungen und Fotos von der Front kamen mit der Feldpost, Soldaten hatten kleine Plattenkameras dabei, entwickelten die Bilder in ihren Unterständen auf vorgedrucktes Postkartenpapier und schickten sie in solchen Mengen nach Hause, daß unmöglich alles durch die Zensur laufen konnte. Schon damals also erstickten staatliche Stellen an der schieren Fülle des Materials.
In Zeiten der Not war "Nachhaltigkeit" ein Gebot avant la lettre, gesammeltes Frauenhaar war kein Fetisch Erinnerungstück, sondern kriegswichtiges Material, Kaninchen noch wirkliche Nutztiere, denen das Fell über die Ohren zu ziehen galt. Ausschnitte aus Kriegstagebüchern beschreiben das Grauen der Gefechte, aber auch die entsetzliche Langeweile in den Gräben oder zeigen in Fotos und Zeichnungen wahlweise idyllische oder zerbombte Landschaften. Bissig dagegen die satirisch-polemischen Propagandablätter, in denen den "Hunnen" von schlangenphallischen Allierten ordentlich in Pulver und Suppe gepißt gespuckt wurde.
("Krieg und Propaganda 14/18". Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg. Bis 2.11.2014.)
>>> Mehr Infos auch unter Propaganda 1418.
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Und in der Fürther Kunstgalerie ebenso ganz super Kinderbücher zum Thema Krieg:
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Obwohl für Kinder gedacht, sind diese Bücher trotz des grausamen Themas auch für Erwachsene ein Augenschmaus. Wirklich fein bis in die Details gezeichnet, und tatsächlich könnte man einzelne Blätter aus den Illustrationen als selbständige Graphiken aufhängen. Vor allem Roberto Innocenti mit seinem Buch Rosa Weiß hat mich sehr beeindruckt. Das ist allerdings ein Buch zum Holocaust. Beide Bücher sind sehr geeignet, um mit Kindern über das noch allgegenwärtige Thema zu sprechen. Für Lehrer ist umfangreiches didaktisches Material vorhanden.
So ist das. Vielen Dank auch für die Links! 3sat spricht sogar doppeldeutig von der "Kunst des Gemetzels", darf man auch nicht in den falschen Hals bekommen. Zu erwähnen wäre noch Saccos Comic-Leporello über die Schlacht an der Somme. Monumental.
Darüber hinaus kann ich nur noch einmal verweisen auf Christian Lax' Comic "Adler ohne Krallen", worin unter anderem die patriotische Kriegsbegeisterung von Radrennfahrern aufgegriffen wird, die anno 1914 in den Krieg zogen und nicht mehr zurückkehrte.
Hier in der Nähe steht zudem das Denkmal des Bunds deutscher Radfahrer mit den Zahlen aller von 1914-1918 gefallenen Radsportler.
http://guterbubi.wordpress.com/2014/03/23/tote-radfahrer-im-park/
Allerdings muss ich sagen, dass es mir schon wieder zu viel Krieg wird. 2013 war hier in Leipzig die Völkerschlacht von 1813 allgegenwärtig, nun ist es das Gemetzel das 100 Jahre später begann.