Die schöne Stadt
Wie schwierig das alles geworden war. Wie unbeholfen. Wenn man andererseits von Menschen, die in einer eisernen Lunge liegen und Achttausender besteigen, liest, sollte mir der flugzeuggestützte Aufstieg in 33.000 Fuß doch im Sitzen gelingen. Parole also: kleine Schritte neu lernen, den Sprung vom Fünfmeterbrett wagen, bei dem Tod nicht droht, wohl aber der Verlust der Badehose. Ist aber nur eine Metapher, gibt auch keine Bilder.
Die schöne Stadt aber rollt ihre weichesten Landebahnen aus, im Gepäck allerdings habe ich schlechtes Wetter dabei. Jenes aber, also das Gepäck, bleibt erstmal unauffindbar. In aller gottverlassenen Frühe nämlich gestartet und nun in entspannte Stimmung gehüllt, verfalle ich am neuen Terminal ein wenig ins Bummeln. Die in Edelstahl gefaßten Toilettenräume bewundern, mir vor den großen Spiegeln die Reisekrawatte nachbinden, Haare ordentlich kämmen, solche Sachen. Am Gepäckband kreiselt nur ein einsamer Koffer, fast möchte man ein klagliches Fiepen hören wie von einem Tier, das an einer Autobahnraststätte vergessen wurde. Es war aber nicht meiner, der tut so was nicht. Der Flug ist noch angeschlagen, Menschen allerdings keine zu sehen, was ich mir vorerst damit erkläre, daß im Frühflug fast nur Geschäftsreisende mit Bordgepäck saßen. Nach vorsichtigem Warten, warum gleich Alarm schlagen und Notrufscheiben einschlagen, verschwindet hoffnungserlöschend der Flug aus der Anzeige, sogleich aber kombiniere ich tapfer wie weiland Nick Knatterton alle Gegebenheiten durch. Man könnte ja mal fragen!, befinde ich und bin kurz darauf mit einer freundlichen jungen, aber bartlosen Österreicherin (damit sind diese Witze dann auch abgehandelt) auf dem Weg durch die Katakomben Schwechats, in Lagerräume, in denen sich wenige Menschen nur verirrten, dafür aber zwei Koffer, darunter meiner. Ganz schön schnell sind die geworden beim Gepäckausladen!
Freundschaftlicher Empfang dann mit Kuchen und herzlichem Lächeln, so als hätte ich eben einen Schlagergrandprix für das Land gewonnen (um doch noch einmal eine Anspielung auf das künstlerische Thema der Woche zu machen). Man muß sich den Herrn Kid als einen glücklichen Menschen vorstellen, wie er wenig später dann sitzt in seiner kargen hinterhoftristen Kemenate am Naschmarkt, dort, wo es die besten Zutaten für Käsebrote aller Art gibt.
Als Wien-Azubi im ersten Lehrjahr habe ich auch die polierten Waschräume in Schwechat ausgiebig bewundert und Fotos gemacht. Also für "Ladies". Nehme an, die für die Herrn sehen ähnlich chic aus. Überhaupt alles sehr schick und elegant in der Donaumetropole. Der erste war ja gleich mein Bezirk! Vornehm geht die Welt zugrunde. Oder auch nicht. Grandios, alles.
Vielleicht sollten wir gar nicht so en detail erhellen, ob wir uns gesehen haben oder nicht. Der Leser und die Leserin sowieso liebt das Unwägbare. Also ich halte mich bedeckt!
Ich hab's da leicht, i red eh nur über mich. Die Räume zum Nase pudern sind in Schwechat viel geräumiger als auf dem Hamburger Provinzflughafen. (Wenn Berlin mal fertig ist, ham's da sicher alles aus Marmor.) Vielleicht messe ich das mal nach. Geht alles gut, fliege ich dieses Jahr noch mal nach Wien. Man hat mich als Experten für feuchte Augen gebeten, dieses schöne
Lied von Maria Bill vorzutragen.
Maria Bills Kopf lag am letzten Mittwoch fünfzig Zentimeter vor meiner Brust. Als sprechendes Medusenhaupt im KHM, bei der ganymed-Aufführung. Wären Sie mal mitgekommen.
Ach, hübscher Zufall! Wir hätten die Köpfe zusammenstecken können!
Ich war übrigens >so< nah davor:
Merke: künftig meinen Predigten Folge leisten.
(ich hoffe, das Essen war so exzellent wie die Aufführung)
(Leiwand! Und die Begleitung erst!)
(Möcht schon sein! Wo hat man gespeist?)
(sehr schön gedeckter Tisch. Sie haben hoffentlich nicht aus der Flasche getrunken.)
aber er hat ihr doch die Autotür geöffnet!!!
Pfff. Rub it in! Jaha, Herr Kid war ungalant und hat die Autotüre nicht geöffnet, wissen es jetzt alle. Das ist eben schlechtes Benehmen Punkrock. Zum Trost: Einer anderen Dame konnte ich nicht rechtzeitig in den Mantel helfen, weil da schon ein Kellner zugange war. So ganz wientauglich bin ich eben noch nicht. Dabei trage ich sozusagen von meiner herbstlichen Natur aus einen Kummerbund!
@gaga
Rentiert sich der Eintritt?
Im KHM war ich vor 10 Tagen aus andren Gründen. (Und habe festgestellt, daß die Leute im Faberge-Raum immer dreister werden.)
Herr kid, Sie haben recht, so kriege ich nie einen Mann, so nachtragend wie ich bin. So Wienkundig wie Sie jetzt schon sind, kennen Sie doch auch das Wiener Goldene Herz - das könnten Sie mir doch bitte bei Gelegenheit beibringen. Dann hätte ich vielleicht noch Chancen.
Leute, laßt euch nichts erzählen. Die kokettiert nur.
Gepäck-weg ist ja der Alptraum schlechthin. Wobei es auf dem Rückweg schlimmer gewesen wäre, dann wär' auch noch der leckere Kaffee futsch.
Und es muss mal gefragt werden: Wie konnten Sie diese Sprache dort ertragen?
I mecht soagn, i hoab a Herz für diese Sprache. Da könnte ich stundenlang zuhören - und tue es auch. (Wenn ich nicht gerade selber rede.) (Kleiner Tipp: Man darf das aber nicht "putzig" oder "herzig" finden, das klingt herablassend. I soag nix und schmelze innerlich dahin. So läuft das.)
Vorab hätte mir wegges Gepäck Kopfschmerzen bereitet. Wenn solche Situationen dann da sind, bin ich aber in aller Regel ganz ruhig. I hoab a Gottvertrauen - und in Wien klauen die nix. Nur Herzen.
Ich würde mir ja nur von Sofie Rois etwas in dieser knödelgrässlichen Sprache erzählen lassen.
Und das Herz wird einem da geschmolzen, dann geklaut und am Schluss muss man es mit Damen in Katakomben suchen. So, so. Nicht dass Sie sich nachher beschweren, Sie hätten das alles nicht gewusst. Wir: Zeugen.
Also ich mag ja die Paraphrasen auf berühmte Wienerlieder, verfasst von Carl Humpel für seinen Jugendfreund Josef Sowa , dem Ehrenobmann der Hochflugtaubenfreunde in Alt-Ottakring, so gern! Da schmelz i dahin.
Was für ein hübscher Titel, Ehrenobmann der Hochflugtaubenfreunde und -züchter in Alt-Ottakring. Und dann noch von einer Seite namens "wurst.at". Das hat doch System!
Frau Eff, mit Damen in Katakomben herumwandern ist quasi mein Metier. Wenn das Streichholz aber verlöscht, bleibe ich erfahrungsgemäß tatsächlich meist allein im Dunkeln zurück. Dann ist der Jammer wirklich groß. Ich brauche dann Trost, kein siehst du!. Sophie Rois? Die raucht doch bestimmt.
Einen Uanschliafa kann man dort zumindest finden. Ist schon sehr schön.
Das hört sich für mich nach einer schönen, reizvollen Reise an. Hat man Sie auch zu 'Francesca Woodman' vorgelassen?
In der Tat. Und nach längerer Feigheit Zwangspause haben wir gar nicht gefremdelt. Ich bin sehr großer Fan von Frau Woodman, hatte mich aber vorab bereits dagegen entschieden, weil die Ausstellung nur in einer Führung zu besichtigen ist. Das ist mir zu anstrengend.
Nur mit Führung? Seltsam und schade. (In meiner Berliner Bücherei gibt es den Katalog zur Ausstellung - ganz ohne vorherige pädagogische Unterweisung. ;) )
Ein Bildband von Ms. Woodman sollte in keinem gutsortierten, fotografieinteressierten Haushalt fehlen. Die ist wirklich toll. Wer es pädagogisch möchte, findet
hier einen insgesamt dreistündigen Talk von der Ausstellung im Guggenheim, N.Y. (Das ist eine Stadt in den USA.)
Nun ja, aber eine kostenlose Führung ist doch recht schmerzfrei, oder?
Da kann man sich auch getrost absetzen (zumindest denk ich mir das meistens ; ) ).
Ich rede lieber selber habe lieber Freilauf; dieses Rumstehen strengt mich an.
Ach, Sie sind hier - daher war heute das Wetter so formidabel : )
Bin mal gespannt, ob es demnächst wieder HR Giger zu sehen gibt, jetzt da...
Naa, ich bin wieder daheim. Deshalb ist das Wetter in Wien nun wieder formidabel. Ich hatte natürlich Herbst im Gepäck.
Nicht, daß wir uns falsch verstehen - ich mag Herbst + Wetter und ich fand es die letzten Tage auch nicht so schlimm, wie manche dramatisiert haben.
Allerdings verschneuze ich seit heute auch schon wieder reichlich Taschentücher - die Pollen freuen sich am meisten ; )
Ich mag auch den Sonnenschein, aber ich brauch halt auch nur um die 20 Grad, bevor das Glücklichsein dahin schmilzt *g*
Ich muss sagen, das mit dem Wetter ist fast schon spooky (heute fast 30°C, hörte ich eben). Aber trotzdem sollten Sie diesmal nicht wieder so viel Zeit bis zum nächsten Besuch verstreichen lassen. War irgendwie zu kurz (mea maxima culpa auch, ich weiß).
Es war definitiv zu kurz, das fand ich auch. Ich hoffe auf den Herbst, da fällt das mit dem Wetter auch nicht so auf. (Wobei ich da auf sehr, sehr gutes hoffe.) Dann locke ich Sie noch mal raus.
Mit einer Reisekrawatte, noch dazu einer eigens nachgebundenen kann ja und darf ja auch wirklich nichts mehr schief gehen.
Ja. Fliege ist auf Reisen immer so umständlich. Und im Urlaub kann man ja auch mal was lässiger sein.
Schön, dass Du wieder auf Reisen gehst und Wien scheint mir eine Deiner Lieblingsstädte zu sein.
Immer noch gilt: immer weitermachen!
Oh - bei diesem Tunnel handelt es sich doch um das Loch durch ein Haus, welches dann zum Naschmarkt / Getreidemarkt führt.... Oder? Dieses Loch habe ich extrem häufig durchwandert - die "Zone" und der "Tabak" war damals schon da.
Genau. Ich wohnte natürlich in der "Zone", gleich beim Anzengruber. (Dortselbst auch prima Schnitzl.)