Mach doch mal was mit toten Tieren
Nein. Ich bin nicht mit Emily Blunt Amy Adams Emily Blunt in den Sonnenuntergang entflohen, ich bilde mich fort. Angekommen im neuen Leben bereite ich mich auf die Zukunft vor: Die Krise ist da, heißt es. Der Schweinekapitalismus mit seiner Fratze wird einen letzten Grunzer tun, das Geld wird verschwinden, Leistung wird wieder selbst getragen werden müssen und allen eine kleine Parzelle zugewiesen werden, auf der Zuckerrübe, Kartoffel, Rote Beete und Sellerie wird wachsen können. Und ein Schwein. Auf Kuba hält man die Schweine in den Dachgärten der Häuser, wir hingegen könnten dafür unsere Nebenzimmer nutzen oder leergeräumte Bankschließfächer.
In unserer Zukunft der Selbst- und Kleinstversorger jedenfalls wird Hausschlachtung das neue Nachbarschaftsfest. Groß, Klein, Alt und Jung werden sich versammeln, während die wenigen Blogger, die sich noch auf Tiertötung verstehen, Schweine und Kleinvieh vom Tier zum Fleisch befördern, auf Haken hängen, ausbluten lassen und ausnehmen, zerteilen und verteil... Halt! Moment!
Bevor sich die gierige Meute auf die sülzigen Stücke stürzen darf, braucht es selbstverständlich eine Fleischbeschau und zwar nicht die, die ihr sonst so im Internet macht. Gilt es doch Krankheiten und Unpäßlichkeiten auszuschließen, selbst wenn man nur im Supermarkt an der Fleischtheke steht und sich fragt, was da so grünlich in der Aufschnittschale schimmert oder warum sich die Cellophanverpackung ins Vulgäre wölbt. So spielte mir also ein glücklich zu nennender Zufall auf dem Flohmarkt dieses fruchtbare Lehrbuch in die Hände.
Nach dem abendlichen Käsebrot studiere ich nun eifrig die grundlegenden In- und Auswändigkeiten von Rippe, Hüfte, Haxe, weiß, daß Grün keine wählbare Alternative auf frischen Schweinehälften ist und daß alles, was sehr klein ist und lebt, das Fleisch in aller Regel ungenießbar macht. (Lesen eigentlich noch Vegetarier mit?)
Viele Dinge kommen in Erinnerung, die die meisten schon vergessen haben dürften: Die Rinderzunge besitzt (im Gegensatz zur Pferdezunge) einen starken Rückenwulst, eine schlanke Zungenspitze und auf dieser zahlreiche Wärzchen, die sich sichelartig anfühlen und nach hinten gerichtet sind, so daß man beim Überstreichen über die Piste der Rinderzunge ein Gefühl hat wie beim Streichen über eine starre Bürste. Interessant und lebensnah auch die Beobachtung, daß "männliche Tiere [...] nach erlangter Geschlechtsreife einen regelwidrigen Geruch zeigen [können]. (Ebergeruch, Bockgeruch, in seltenen Fälen auch Bullengeruch)."
Fans von James Herriot (Der Doktor und das liebe Vieh) werden das ein oder andere erinnern (Lungenseuche! Schweinepest!): Mit einem Arm bis zum Ellenbogen in einer Kuh, den schnurrigen Lebensweisheiten verknöcherter Bauern aus dem lieblichen Yorkshire lauschend und dabei immer das Wohl der Nutztiere und ihrer Verzehrer im Auge. Ein Buch für jede Hausapotheke also und zur inneren Vorbereitung auf kommende Festlichkeiten, wenn Mutter die Gans wieder zu lange auf der Arbeitsplatte hat liegen lassen. Hände waschen nicht vergessen.
(R. v. Ostertag, V. Goerttler. Lehrbuch für Fleischbeschauer. 27. Auflage. Berlin, Hamburg: Parey, 1958.)
Ich danke für diesen tollen Literaturtipp. Als vorbildlich entfremdete
r Mensch s Individuum im Schweinesystem taste ich mich seit nun schon seit längerem ganz vorsichtig in Richtung Parzelle, dieses Jahr bspw. wuchsen im Garten vier Kürbisse, deren beeindruckendes Blattwerk das handtuchgroße Stück Land auch komplett bedeckt, allein die Früchte sind so klein geblieben, dass ich sie demnächst an den Weihnachtsbaum hängen kann. Was die Fauna angeht, bin ich noch weitaus zögerlicher, denn schon das Zerlegen eines (bereits ausgenommenen) und in der Suppe mitgekochten Huhns stellt an meine Psyche hohe Anforderungen. Dabei gibt's noch so viel zu
entdecken.
Ich bin bislang auch erst im theoretischen Teil. So viel Fleisch mag man ja auch gar nicht essen, bin ich doch kein Mann für die Wurst, sondern fürs Käsebrot. Aber, wie heißt es im Lehrwerk so schön: Wenn der Fleischbeschauer auch nicht über alle Einzelheiten der handwerksmäßigen Zerlegung der Schlachttiere unterrichtet sein muß, so ist es doch zweckmäßig, daß er die Grundzüge kennt, schon deshalb, damit er nicht bei der Fleischbeschau wertvolle Fleischteile überflüssigerweise durch Untersuchungsschnitte entwertet. (S. 205)
Wohl gesprochen. In den Grundzüglichkeiten sich auskennen, damit sind andere schon ganz nach oben gekommen. Ohne auf den Schnüffel zu fallen.
"wertvolle Fleischteile überflüssigerweise durch Untersuchungsschnitte entwertet."
Klingt viel mehr nach dem letzten Serienkillerbestseller. Passt aber auch ins aktuelle Gelduntergangsszenario.
(Bin froh, Veggie zu sein, habe aber dem Hund zuliebe bis zum Schluss mitgelesen.)
Den kurzen Schwenk zum Thema Hundefleisch ("Schweine und Hunde, deren Fleisch zum Genuß für Menschen verwendet werden soll, unterliegen nach der Schlachtung auch einer amtlichen Untersuchung auf Trichinen." (S. 2)) im Lehrbuch, führe ich besser nicht weiter aus. Es ist eine Welt frei von Sentimentalitäten. Der Hinweis von Herrn Kristof ist ganz großartig, muß ich sofort ausdrucken und in meinen Erste-HIlfe-Kasten legen. Oder aufs T-Shirt drucken, für den nächsten Besuch im Krankenhaus. (Dortselbst konnte ich modisch zuletzt nur mit meinem
Station 17-T-Shirt punkten.)
Gelten für die Hausschlachtung nicht andere (mildere) Gesetze, was die Prüfung des Fleisches angeht? Nach dem Motto, selber schuld, wenn ihr eure Tiere so haltet, dass sie krank werden, dann esst sie doch so wie sie sind? Jedenfalls gut zu wissen, dass Sie sich jetzt auskennen. Ich könnte Rosenblättergelee aus eigenem Anbau mitbringen zum Fest.
Die Axt im Haus erspart den Fleischbeschauer, das wird wohl so sein. Fragt ja auch keiner, ob Verbraucher daheim die Kühlkette unterbrechen oder schimmliges Brot ("...ist selten von Vorteil". M. Goldt) essen. Sollte ich aber Meine kleine Farm in Mecklenburg haben, will ich gewappnet sein. Rosenblättergelee klingt wunderbar abrundend dazu.
Nee, nee. So einfach ist das nicht. Es kann doch nicht jeder zuhause schlachten wie er will. Da ist zunächst schon das Tierschutzgesetz vor und das verlangt, dass das Tier zuvor betäubt wird. Außerdem wird ein Sachkundenachweis verlangt.
Deshalb gibt es ja immer mal Aufruhr, wenn jemand im Wohnzimmer schächten will. Das Schächten geschieht nach religiösen Vorschriften (Islam, Judentum) ohne Betäubung des Tieres und wäre eigentlich nicht erlaubt; eigentlich, weil Verehrer höherer Wesen Ausnahmen für sich verlangen.
Hausschlachtung in Meckpomm.:
"Hausschlachtung... darf nur unter Einhaltung der Normen der Fleischhygiene-Verordnung durchgeführt werden."
ich sehe schon, es fehlt noch ein Blockkurs in Gesetzeskunde. Ich gehe bislang davon aus, daß Blogger ihre Nutztiere ausschließlich totlabernstreicheln werden. Danach dann aber Fleischbeschau und selbstgeschnitzte Trichinenstempel! (Gibt's bei Etsy & Dawanda)
Die Nichtfleischesser sind im Vorteil, weil sie sich nicht noch um Nahrung für´s Fleisch kümmern müssen. Die Fresskette so kurz wie möglich! Das zu streichelnde Nutztier wird Dank Präparatorenkunst bis zum Tod des Streichlers verfügbar. Kann eventuell an Streichelerben weiter gegeben werden. Jedem sein Teil.
Man kann es dann noch durch den Park
tragen.
ohne fleisch keinen preisch. nicht nur als landmensch im landgebiet residierend (vorrübergehend...) kann ich Ihre schlachtgedanken sehr wohl teilen: wieso alles fleisch fleischlos teilen? /allerdings, in ausgewiesenen mischgebieten dürfen keine hähne krähen, wie ich jüngst vom veterinär nächst erfuhr. den ortsvorsteher werde ich also zeitnah anpumpen müssen auf eine genehmigung für hühner, besser noch: glückliche schweine (ich mag ja keine hühner). Brokkoli ist schon bestellt, jetzt muss nur noch der Winter kommen mit seinem Gemüse. Gold und Bewegung nicht vergessen, denn mit den Gewinnen kann man dann die zerteilte Kuh zeitnah bestellen, zur Not immernoch in pizza. /Ich glaube, wir werden schon irgendwie durchkommen.
Die gesellschaftskalten Wintermonate werden uns helfen, alle Vorräte tiefgefroren über die Zeit zu bringen. Wehe, wenn der Hahn dreimal kräht.