Montag, 7. Juni 2010


Kubben, nicht Klubben




Der König ist tot, es lebe der König.

Ja, liebe Stubenhocker. El Sunshine-Kid lebt sein entspanntes Wochenendleben ja nicht unter einer muffigen Wolldecke aus. Wochenende = Kumpelzeit, da rockt man das Soulboat, plöppt die Korken, High-Fived sich durch die Nacht und... äh, wo war ich?!?

Frühstück jedenfalls an meiner kleinen Schiffbegrüßungsanlage, hier ist ja irgendwas im Busch (sprich: verräterische Wirbel im Wasser), immer mehr junge Leute in führerscheinfreien (bis 5 PS) Motorbooten durchkämmen die Kanäle meines kleinen Rentnerstadtteils, Bier & Musick an Bord, bald wohl auch schringernde Plastiktröten und Fußballfahnen von Nationen, von deren Existenz man bis eben kaum was ahnte. Mir fehlt nur noch ein Kissen für die Ellenbogen, dann schreibe ich die alle auf.

Dann aber los zu den großen Frühstückseiern im Hafen und den Bloggern mit ordentlich Holz vor der Hütt'n: Irgendsoein Wikingerspiel, so hieß das Losungswort - und wenn es irgendwo etwas Neues auszuprobieren gilt, bin ich ja der erste vorne am Bühnenrand. Noch unverschwitzte Damen und Herren traten also an, sich gegenseitig nichts an den Kopf, eher etwas vor- und manchmal einen Knüppel zwischen die Beine zu werfen.

Das Spiel, eine Mischung aus Kegeln, American Football und Schach legt Emotionen und Südkurvensprüche frei, ist also genau das Richtige, sich mal links und rechts ordentlich locker zu machen. Höhepunkt: Alle Linkshänder werfen mit rechts, die Rechtshänder mit links. (Natürlich, aber nicht ohne Mühen, siegten die Linkshänder) Ruppiger als Rasencrocket, ein wenig grobklotzig, wenn man so will, bietet das Spiel aber einige taktische Finessen, mit denen man die gegnerische Mannschaft bloßstellen dem Sieg buchstäblich ein Stück näherrücken kann. Wer will, kann das Spielgerät anschließend zum Scheiterhaufen aufstapeln und ein munteres Feuer entzünden.

Sonnenbestäubt, biervertrunken. Abends dann Regen. Jetzt endlich beginnt die schöne Zeit.


 


Freitag, 4. Juni 2010


Ortstermine

Immer fliegt mit Tausendgetöse
das Bahnschiff durch die Lüfte über das Wasser...

(Else Lasker-Schüler, "Die Wupper". 1909.)



Wie lockt man jemanden, der nach dem neuesten Rating in der Stadt Nr 1 lebt? Schwierig. Aber wo andere vielleicht "I'm from the wrong side of town" [Q] jammern würden, lockt man besser ihn (oder sie) in eine Stadt, die in einem anderen Städteranking ebenfalls auf Platz 1 liegt. Spitzenstädte dieser Welt, vereinigt euch! So geht's.



Ironischerweise aber schaltete Wuppertal an diesem Tag die Sonne ein, die Schwebebahn fuhr auch wieder, große Runde also wie sonst nur mit einer Barkasse durch den Hafen oder wie durch ein liegendes Riesenrad im Prater. Österreicher scheucht man natürlich auch gern die steilen Straßen hoch, das lieben sie von daheim. Die Bahn rumpelt an den Rückseiten der alten Fabriken vorbei, zurückeroberte Shed-Architektur ist zu sehen und erstaunliche Biotope auf Dächern und Terrassen. Dann die Farben, womöglich ausgeschenkt von den Lackfabriken am Rande der Stadt. Zwischen sterbendem Grau sind bemerkenswert viele Fassaden in allen Pastellregenbogenfarben frisch getönt.

Wuppertal hat auch Galionsfiguren, daher die vielen Seemänner dort.

Satt & Nacht, den Spanier gibt es zum Glück noch (im Vergleich zu so vielen hanseatischen Enttäuschungen war das Restaurant in der Erinnerung ja bereits zum Mythos gewachsen), der Besitzer freut sich über den Besuch, lobt Fußball und St. Pauli und so glaube ich, daß die verhutzelte, sperrige, ins Tal geklebte Stadt sich ganz wacker geschlagen hat. Ich bin ja immer ein wenig gerührt, wenn jemand Interesse zeigt, so schrecklich viele Vorzeigeecken gibt es ja nun nicht, verglichen jedenfalls mit den Metropolen dieser Welt. Dafür kann ich zu diesen Ecken das ein oder andere erzählen, weiß, woher hier und dort der Staub stammt, aber das muß man natürlich auch hören wollen.


 


Donnerstag, 3. Juni 2010


Was nehm' ich mit?

Ich liebe die Sterne.
Und ich liebe den Mond.
Und einen Mann mit
einem Hang zur Depression.

(Die Braut haut ins Auge,
"Mann mit einem Hang zur Depression".)

Das gilt es auch noch nachzutragen. Endlich habe ich es geschafft und meine Braut-CDs in klingende digitale Mitnahmeartikel umgewandelt. Die kennt ja auch keiner und keiner mehr. Schon aber kehrt morgens auf dem Weg zur Arbeit gute Laune ein, weil ich im Stillen mit Peta und Bernadette mitsumme, Füße wippe, an tolle Konzerte zurückdenke, meine kleinen Faux-pas, das staunende Vergnügen über lakonisch rausgehauene, emotionale Zeilen, die netten Minuten auf der Hedi, die Widmung, ein Reichtum also. Wie man nachts über die Autobahn rauschte, lautstark "Verlaß mich nicht/In Greenwich Village" mitsang ("Ich glaub an uns/und ich möchte nicht/daß diese Stadt uns're Liebe zerbricht", so was halt), also diese sogenannten wahren Worte. Andererseits hätte mir Bernadette auch das Telefonbuch vorsingen können, da war wohl was mit der Stimme. Glaube ich.

Und Abbitte muß ich auch immer noch leisten. Weil ich mich vor Jahren ein wenig irritiert und borniert über das letzte Album "Pop ist tot" äußerte, was im Gespräch für weitere Irritationen sorgte. Und wenn ich das Album heute höre, stelle ich fest, wie großartig das eigentlich produziert ist. Woran man sieht, daß man den Künstler vor allem vor einem schützen muß: seinen größten Fans.

"Eine alte Liebe ist wie ein altes Fahrrad/Laß es einfach steh'n". Von wegen. Nach 15 Jahren jedenfalls bin ich zu meinem eigenen Erstaunen immer noch mitgerissen und beklage, was ich einst befürchtete: Wieso waren die nie in den Charts? Vielleicht machen die ja 2013 noch mal zusammen den Tandemsprung, den nähme ich mit denen nämlich mit, dann, wenn es Krieg gibt. Aber "...es wird alles gut", singen sie irgendwo. Natürlich wird es das.

>>> Webseite von Bernadette Hengst

Radau | von kid37 um 12:02h | 9 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Dienstag, 1. Juni 2010


Du mußt es schon genauso wollen

Wenn du gehst. Bernadette hat auch nach Jahren immer noch recht.

Radau | von kid37 um 12:10h | 2 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Sonntag, 30. Mai 2010


Merz/Bow #22





Am Tag, nachdem eine grad mal 19-Jährige eher unbekümmert den Schlagerwettbewerb gewonnen hat, versammeln sich, statt in ihren lachsicheren Kellern zu bleiben, offenbar alle mit Stock im Arsch im Forum von Spiegel Online und anderswo im Netz, meckern über dies, nörgeln über das, wittern Verschwörung, beklagen den Verfall der Werte, lästern im schlechten Deutsch über angeblich mangelnde Englischkenntnisse besagter Abiturientin und zeigen, daß man sich in diesem Land über keinen Spaß mehr freuen darf, wenn mit einem harmlosen, aber doch ganz charmanten Trällerliedchen nicht zugleich der Weltfrieden herbeigeführt oder mindestens das Ölloch im Golf von Mexiko gestopft werden kann. Euer Englisch mit 19 möchte ich mal hören.

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Die eigene Zeit ist also besser verbracht, zwischen einzelnen Regenschauern ein wenig hinauszukommen. Auf dem Flohmarkt bekam ich ein hübsches verrostetes Grobwerkzeug geschenkt, verdammte Axt, auch so ein Glück. Dann aber rasch umgekleidet, unter dem Gewitter hindurchgetaucht und eine schnelle Runde um den Holzhafen gedreht. Sattel statt Satellite sozusagen, um auch mal einen Top-Witz zu machen.

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Hübsches Veloblog von vier engagierten jungen Damen aus Paris auf zwei schnellen Rädern: Les Mittens. Frankreich gilt ja als zwar radbegeistertes, aber nicht unbedingt fahrradfreundliches Land, die Touren des Quartetts deuten aber ganz interessante Möglichkeiten an. Bei Flickr haben sie auch ein Album.

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Ganz toll: Banale Weisheiten und Truisms auf verschmutztem Papier - Nobody at the Wheel.

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Ich mach jetzt mal die Lena und koche, ohne Kartoffeln im Haus, aber trotzdem ganz unbekümmert Spargel.

MerzBow | von kid37 um 22:11h | 5 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Sonntag, 30. Mai 2010


Neigungsgruppe Stipp & Visite





Zum Glück reagiere ich ja aus dem Stand heraus spontan, so daß mancher sich fragt, wie dieser soeben noch schläfrig wirkende Mann plötzlich wie sonst nur ein ghanaischer Fußballspieler voller Spannkraft auf dem Punkt landen kann. Weil die Lu kurz und kurzfristig in der Stadt war, mußte ich andere dunkellockende Abenteuer zur Seite schieben und seemännische Hafenbegleitung anbieten. Ausnahmsweise überpünktlich, zeigte sich bald, daß man mich nicht zu lange alleine lassen darf ("Einen wilden Mann kann man nicht halten", Bernadette Hengst) - ich werde dann unruhig und komme mit anderen ins Gespräch. Die nette Dame, mit der ich nun auf einer Bank an den Landungsbrücken ins Flirten Gespräch kam, war zwar schon Mitte 70 und weniger blond als grauhaarig, dafür aber gutgelaunt und humorvoll, zwei Eigenschaften, die man an Frauen ja nicht hoch genug schätzen kann. Die rüstige Dame erzählte von ihren Reisen und ihrer Leidenschaft für die See und bedauerte, keinen Reisegefährten zu haben, der mit ihr die Überfahrt nach Helgoland wagt. Ich stand kurz davor, laut zu rufen, hier! nehmen Sie mich, Reisen ist doch mein zweiter Vorname - aber ausgerechnet da platzte dann Lu dazwischen, die mittlerweile den Weg gefunden hatte. Da galt es, die Situation retten und mich bedauernd verabschieden, die alte Dame zeigte aber mildes Verständnis, und so zog ich dann doch noch mit der Blonden die Elbe runter.

Hamburg hatte Sommer im Programm, ich verteidigte Sängerin Lena, die gerade auf Abiturfahrt nach Oslo ist und hörte dafür brandheiße Geschichten in warmer Sonne. Die Containerschiffe, so eine andere Beobachtung, liegen immer noch verdächtig weit über der Wasserlinie, aber man gibt ja das Hoffen nicht auf. Zurück dann schnell noch beim famosen Herrn Krüger vorbeigeschaut, der mich zurecht! des Vernissage-Schwänzens zieh (ich habe dann in Selbstkasteiung auch die angebotenen Getränke ausgeschlagen). Eine wirklich großartige Ausstellung hat er da gerade in seiner Galerie, ganz tolle Sachen, wenn man bitte einmal schauen möge, von Femke Hiestra, Fred Stonehouse, Atak und Heiko Müller. Ganz aktuell quasi die Bilder von Ryan Heshka, der einerseits Taucher zeigt, die verzweifelt versuchen, ein Bohrloch zu schließen und andererseits schutzanzugumhüllte Retter, die mutierte Rieseninsektoide in ölverseuchten Sumpfgebieten jagen. Hier gibt es mehr zu sehen. Camille Rose Garcia hätte mit ihrer Reihe Ultraviolenceland auch gut dazugepaßt.

Für morgen ist endlich Regen angesagt.

("Neo Fabulists", Feinkunst Krüger, Hamburg. 8.-29.5.2010.)


 


Donnerstag, 27. Mai 2010


Wir machen zu

Hamburg ist bekanntlich das "Tor zu Welt", macht aber gerade die Türen zu. In der Kunstzeitung las ich vor ein paar Monaten erstmals über das eher schwachbrüstige und juristisch interessant gestrickte Finanzierungsmodell der Kunsthalle. In eine eher unterfinanzierte Stiftung entlassen, fehlen dem Museum nun 200.000 Euro, so daß man sich gezwungen sieht, die 1996 mit viel TamTam neueröffnete "Galerie der Gegenwart" bis Oktober zu schließen. Offiziell aus "Brandschutzgründen" - aber zufällig ergibt die "eingesparte" Summe just den genannten Fehlbetrag. Hony soit, qui mal y pense usw.

Was als demi-monde provinzielle Posse im norddeutschen Marschland hätte versickern können, zumal von Kultursenatorin Karin von Welck als eher "kommunikatives Mißverständnis" dargestellt, wurde von überregionalen Medien indes mit Entsetzen aufgegriffen, die Süddeutsche berichtete, die FAZ machte gleich eine fortlaufende Reihe daraus, in der Niklas Maak feststellte: "Denn am Ende überlebt ein nach dem Stiftungsmodell organisiertes Museum nur dann dauerhaft, wenn es überzeugende, mitreißende Ausstellungen macht. Dafür fehlt jetzt das Geld, und eine Schließung ist kein so gutes Signal, wenn man zeigen will, dass es wieder bergauf geht" (FAZ vom 19.5.2010). Ein paar Tage später entlarvte Peter Rawert ebenda ein solches Modell als eine Art "Bad Bank" der Kulturpolitik, mit dem nicht zuletzt der Stiftungsgedanke vom Staat selbst desavouiert würde. Wahrlich ein fatales Signal.

Nun hat auch das Fernsehen die Sache aufgegriffen, Kulturzeit berichtete, denn in Hamburg scheint sich nun ein Schließungsbrand auszubreiten. Gestern meldete das Altonaer Museum, das soeben für drei Millionen aufwendig aufgehübscht wurde, nicht schließen, aber doch irgendwie, nun ja, schließen zu müssen. Wegen, nun ja, Brandschutzmaßnahmen.

Es ist aber alles nicht so schlimm. Denn am Wochenende feiert die Elbphilharmonie Richtfest, ein bislang eher für Disharmonie sorgendes Millionengrab, das sich Hamburg statt ursprünglich avisierter 70 Millionen nach Mängeln, Nachforderungen und weiterer Nachforderungen bald eine lockere halbe Milliarde Euro kosten läßt. Ein sogenanntes "Leuchtturmprojekt", das strahlen soll, während in der Stadt die Lichter ausgehen. Wie schrieb Niklas Maak: "Hamburg zeigt [...] dass der durchaus üppige Etat, von dem die Kunsthalle etwas brauchte, in aberwitzigen, dinosaurischen Prestigeprojekten wie der Elbphilharmonie versenkt wird, das immer mehr zu einem vertikalen schwarzen Loch wird, in dem am Ende Hamburgs letzter Pfennig zu verschwinden droht". Geld, auch das weiß man seit der Finanzkrise, ist also da und zwar auch im Kulturetat.

Wann genau diese sogenannte Philharmonie übrigens fertig sein wird, weiß niemand so genau zu sagen. Macht aber nichts, wir feiern einfach schon einmal. Und, so zischeln böse Zungen ja schon lange, gute Ausstellungen sieht man doch sowieso eher im Hamburger Bahnhof. Na dann, Prost.