Freitag, 30. Juli 2021
In meinem Berlin-Roman Die Oma hat mir nüscht vermacht erzähle ich vom kulturgemanageten Leben einer Brühwurst-im-Glas-Bohème (allesamt Abbrecher der Hamburger Schule) im zuzugigen Neukölln um die Jahrtausendwende. Mit "Witz und Verve" (Stadtmagazin) erzählt, entspinnt sich eine anekdotisch aufgehübschte Geschichte von großen Plänen und kleinen Erfolgen, Verliebtheiten und Entliebungen, verrauchten Bars und klebrigen Tresen, dem Ringen um Förderanträge und Stütze, Lebensweisheiten und allerlei Unsinn. LiloLotteLisa-Film hat bereits die Rechte angefragt für den TV-Freitagabend, dann ist hier endlich Schluß mit Dosenfisch und Brot aus Plastikbeuteln.
"Dots'n'Rust" - Hommage an Yayoi Kusama. Metall, Rost, Löcher. 2022. 1000,- Mark
Lange habe ich für ein Unternehmen gearbeitet, das sich "Digitale Transformation" auf die Fahne geschrieben hatte, morgens dröhnte statt der Fabriksirene David Bowies "Ch-ch-changes" aus dem Mitteilungslautsprecher und dann wurde nach und nach alles auf den Kopf gestellt, Tisch auf Stuhl, altes Denken, neues Denken usw. oder auch vorwärts gehen, rückwärts sprechen wie bei David Lynch. Interessant wird es jetzt, wenn man dieselben Prozesse nun an Behörden und öffentlichen Einrichtungen erlebt, weil man dabei hautnah miterleben kann, daß nicht alle Rezeptmischungen beliebig in jeden Topf gerührt werden können, wenn ich dieses schiefe Bild gebrauchen darf. Auch ist der Wissensstand sehr unterschiedlich. Irgendwo erwähnte ich beiläufig das Thema Datenschutz, da wurde sehr gelacht und jovial "och jo" gesagt - und das zurecht! Man brauchte meinen Rat gar nicht, denn es dauerte tatsächlich nur ein Jahr, da war auch hier der Newsletter DSGVO-konform. Muß ja keine Eile sein.
Julian Nida-Rümelin, die Älteren kennen ihn noch als Kulturstaatsminister, sagte ebenfalls zurecht zum Thema Kultur im Lockdown, es bringe nichts, das "Haus" (er meinte ein Museum) einfach 1:1 ins Internet zu spiegeln. Man kennt das ja vom Film (habe ich jetzt gesagt): Gute Trailer - schlechte Trailer. Die einen wecken die Neugier, reißen was an, machen Lust aufs Kino, die anderen erählen brav den Inhalt nach, so daß man gleich zuhause bleiben kann. Selbst die Koberer auf der Hamburger Reeperbahn merken, daß man mit dem alten "Komm'se ran, komm'se rein, das erste Bier kost' nix" kaum noch jemanden locken kann. Neue Medien brauchen neue Konzepte.
Andererseits fühlte ich mich jüngst ausstellungshalber nach Berlin gelockt, stieß dann aber auf die neuen Konzepte "Zeitfenster-Tickets" und, schlimmer noch, "ausverkauft". Da muß man dann zuhause bleiben. (Ich bin ja sehr gut im Retrospektive-verpassen, schmerzlich fällt mir da immer die große Tinguely-Ausstellung vor ein paar Jahren in Düsseldorf ein.) Kein Bällebad mit Yayoi Kusama also, ich könnte aber bei mir daheim alles mit bunten Klebepunkten vollstickern, für den klebrigen Tresen und vor allem fürs Gefühl. Das ist digital noch nicht erfaßt. Wird noch transfomiert.