Mittwoch, 5. August 2020


Aus dem Familienalbum #4



Nennen wir ihn Ishmael. Mein Ur-Urgroßonkel väterlicherseits, der im 19. Jahrhundert nach Nantucket auswanderte und auf Walfängern anheuerte, um für hart verdiente Heuer auf den Meeren den begehrten Tran zu erbeuten. Er konnte wohl gut mit Fischen, die waren sozusagen sein Metier. Von ihm ist in unserer Familie der Spruch überliefert, von dem wir nicht so ganz wissen, was er eigentlich bedeutet: "Pack niemals einen Hai am Schwanz!"

Heute weiß man, Haie sind sensibler als gedacht, aber eins wußte er auch - und auch das ist ein Sinnspruch in unserer Familie - nicht jeder Fisch ist harmlos. Großonkel Ishmael, der Sturm getrotzt hatte und Kaventsmännern, hatte wohl Respekt gesammelt. Ein Mann einfacher Schulbildung, sicherlich kein Intellektueller, soll er auf See wohl ein Getriebener gewesen sein. Es hieß, ein großer Fisch habe ihn einst ernstlich verletzt, seither zog es ihn immer wieder hinaus aufs Meer, weil er an Land keinen Frieden finden konnte.

Der tapfere Onkel gilt als verschollen. Nach dem, was man weiß, ist sein letztes Schiff in schweren inneren und äußeren Stürmen irgendwo aufgelaufen, jedenfalls soll es zerborsten und gesunken sein. Angeblich soll er als Einziger überlebt und sich an einem obskuren Trümmerteil festgehalten haben, aber auch wenn der Untergang Wellen schlug bis in die Gazetten seiner Zeit, ist nichts Genaues bekannt. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo da draußen; sie liegt auf dem Grund des Meeres.