Donnerstag, 23. Mai 2019
Zur Überbrückung kurz ein Hinweis. Seit ein paar Jahren bin ich ja Fan der Arbeiten des frivol-französischen Filmfantasten Bertrand Mandico. Er selbst sieht sich beeinflußt von David Lynch und Fellini, in seinen frühen Animationsfilmen schubbert unverkennbar auch der tchechische Altmeister Jan Svankmajer durch. Sein größter Einfluß aber ist der polnisch-französische Filmautor Walerian "Boro" Borowczyk, der in den 60er- und 70er-Jahren mit surreal angehauchten, erotischen Werken wie Goto, Insel der Liebe, Origin of Sin und La Bête bekannt wurde. (Viele seiner Filme sind in restaurierter Fassung auf BluRay in Großbritannien erhältlich). Ihm widmete Mandico mit Boro in the Box (Trailer) eine ebenso surreal angehauchte, kurzweilige Hommage in schönstem Schwarzweiß und schräggestellter innerer und äußerer Haltung. Dem folgten eine Reihe von Kurzfilmen, oft mit der wunderbaren Elina Löwensohn (mir einst durch den von David Lynch co-produzierten Fisher-Price-Spielzeugkamera-Vampirfilm "Nadja" bekannt geworden, später spielte sie im laschen Die Weisheit der Krokodile. Zuletzt sah man sie in Guy Maddins Meisterwerk The Forbidden Room und unter der Regie der vor einiger Zeit heiß gehandelten, letztlich aber eher kunsthandwerklich interessanten Italofilm-Eulologen Hélène Cattet und Bruno Forzani.)
Mandico plant, jedes Jahr einen Film mit Löwensohn zu drehen, um in zwanzig Jahren mal zu schauen, wie sich Land, Leute und Leinwand verändert haben. Das sieht dann assoziativ komisch-lüstern wie in Prehistoric Cabaret aus oder düster-dramatisch (aber auch auf makabre art hoffnungsvoll) wie in Living Still Life. Ein tolles Projekt, das - es handelt sich ja zumeist um Kurzfilme - sich ja wohl verwirklichen lassen sollte.
Mit Löwensohn drehte er nun auch sein Langfilmdebüt The Wild Boys, der nun eine kleine Kinoauswertung erhält. Dem Filmgott sei Dank. Die wilde Läuterungsfahrt einer kultisch-esoterischen Gruppe Internatsjungs (alle gespielt von Frauen), die ein brutales Verbrechen begingen und nun von einem alten hölländischen Kapitän zu einer exotischen Insel geschippert werden, ist eine schwül-fiebrige Geschichte (in Schwarzweiß mit kurzen Farbsequenzen) über Initiation, Gender, Lust, Gewalt und Leben. Die Insel ist voller phallischer, verlockender Pflanzen (die Jungs wollen fruchtberauscht gar nicht mehr weg), Piraten und der Löwensohn als philosophierende Therapeutin mit bizarren Methoden. Wer das lose von Burroughs inspirierte Werk auf der Leinwand sehen kann (im Juli z.B. in Berlin), sollte das nicht verpassen, denn solche frei schwingenden, in traumverklärte Tableaux vivants dahingereihte Filme sind selten.
>>> Bericht über Mandico (leider hat Arte die deutsche Fassung runtergenommen)
>>> Interview zu The Wild Boys im Extra Extra Magazine
>>> Artikel auf Mubi
>>> Webseite von Bertrand Mandico