Sonntag, 30. September 2018
Herr Hacke war ja schon immer da, Frau Picciotto lernte ich zunächst über ihre Malerei so um 2006 herum in Berlin kennen. Aus Wolfgang Müllers unverzichtbarem Almanach Subkultur Westberlin 1979-1989 aber lernen wir: "Zu Danielles Geburtstag wollte der total verliebte Dr. Motte ihr eine Art öffentliche Parade oder Aufzug schenken. Es wäre jedoch unbezahlbar gewesen, den ganzen Kurfürstendamm absperren zu lassen. Deshalb meldete Dr. Motte das Ganze als politische Demonstration an." (S. 235)
Und deshalb hieß das Love Parade. Alexander Hacke (aka von Borsig), einigen von den Einstürzenden Neubauten her bekannt, wußte also, worauf er sich einließ, als er de Picciotto 2006 heiratete. Seither nämlich ziehen die beiden umher, also reisen um die Welt, in *romantische Klaviermusik ertönt* Liebe vereint und musikalisch aufgeschlossen. Eine Art Love Parade eben. Dazu haben sie (angeblich) "alle ihre Sachen abgestoßen" (sprich: eingelagert, die werden ja nicht doof sein), der Freiheit wegen und des leichten Gepäcks.
Angemessen leicht bepackt nahmen denn HackeDePicciotto am Samstag den Bus, um in Hamburg vor Publikum (53 Personen) aus den letzten Alben vorzutragen. Übrigens sehr ohrenfreundlich (geraucht wurde auch nicht, und angenehm kurz war's!), also leise. (Vor allem, wenn man die Einstürzenden Neubauten mal live gehört hat. Häh?!?) Hamburgs wichtigste Musiker (also ich und der andere) standen derweil ganz hinten (oder saßen, weil geschwächelt) im Westwerk, ganz entspannt eben.
Reduzierte Hausmusik neuerer Art hören wir da, düsterer angelegt als die Vorgänger, was vor allem an Herrn Hackes feedbackondulierter E-Gitarre liegt, mit der er (unterstützt von Loop-Effekten, was ihm Gelegenheit gibt, hier mal zu Trommeln oder dort eine kleine Reiseespressomaschine... na ja, das ist jetzt erfunden) quer zu Frau de Picciottos Geigen- und Drehleierspiel dazwischensägt. (Ich erinnere mich an einen Auftritt vor ziemlich genau zwanzig Jahren, wo er auf diese Weise die Singende Säge seiner damaligen Gattin Fr. Becker im Zaum hielt.) Das schwankt (die beiden sind für den Abend in Rot gekleidet, sie: Vintage, er: Stylists own) zwischen Baghwan-Pärchen in der Fußgängerzone (hier will wohl einer frech werden!) und angenehm schunkelndem Kaputt-Chanson Berliner Schule. Besser als erwartet, vor allem gegen Ende, als die Betriebstemperatur so ein bißchen angeschnuckelt war.
Draußen war es schon genauso dunkel wie die Musik, also angenehm. Singende Pärchen unter den Laternen.
>>> Geräusch des Tages: HackeDePicciotto, All Are Welcome