Donnerstag, 25. August 2016


Wer bist du, der mir selbst entgegenstarrt?



In meinem neo-empfindsamen Roman Ausgestoßen - Nachdenkliche Betrachtungen eines sentimentalen Nacktschneckenzüchters (Hamburg: Officin Brandmüller Nachf., 1911) beschreibe ich die Irrungen und Wirrungen nachtaktiver Gesellschaften und die ewig-alte Frage nach dem WoherWohin. Der Held, die titelgebende, mittelalte abgeranzte Type, wundert sich, das irgendwas mit seinem Selbstbild kaputt ist. Erst will er es nicht wahrhaben, aber dann bemerkt er, daß sein Schatten ein anderes Bild von ihm wirft als er selbst von sich hatte. O, verräterischer Schatten, den du wirfst!

Hier driftet der Roman in schwarzromantische Wälder ab, klopft am Haus der Doppelgänger an, legt eine Brotkrumenspur ins Revier einer finsteren schwarzen Katze und bringt einen alten orientalischen Automatenbauer ins Spiel, der mit raunender Stimme "Hm" und auch "Hmhm" sagt und von eitrigen Geschwüren spricht, die ein Monster namens Arbeit ins bleiche, der Sonne niemals zugewandte Fleisch frißt: "And therefore never send to know for whom the Fabriksirene tolls; It tolls for thee." Von einem mißtrauischen Mob gejagt, flüchtet der Held aus einer mit schräggestellten Laternen bloß spitzwinklig erleuchteten Hafenkaschemme durch diagonal angelegte Kopftsteinpflasterstraßen und greift sich entsetzt ins schüttere Haar.

"Zu hülf! Zu hülf! Ich bin nicht mehr ich selbst!" ruft er aus, eine schwarzweißgedrechselte Spirale dreht sich dabei in seinen Augen. "Ich schau schon lang nicht mehr geradeaus!" Passanten ducken sich erschreckt in dunkle Hauseingänge, der Held torkelt weiter, "wann, wann wird Urlaub sein?" Ein schwarzer Vogel aber krächzt nüchtern "Nevermore!"