Samstag, 12. Juli 2014
Bedenklich, aber wahr: Dieses Jahr war ich in Wien gar nicht bei den toten Tieren. Dafür bei noch lebenden, was ein völlig anderes Erleben war. Man kommt gar nicht wirklich hinterher vor lauter Gewackel und Gerenne, Versteckspiel und Rückenzuwenderei. Die machen das extra, möchte man meinen. Üben sich in lässiger Arroganz, flüchten sich in aufgesetzten Hospitalismus, halten kleine Plakate hoch, auf denen steht: Laßt uns bloß in Ruhe!
Denn nicht alle Tiere sind gleich und nicht jedes möchte gleich gerettet werden. Gerade über Tiere im Zoo sind viele Vorurteile im Umlauf. Längst nicht jeder Ameisenbär hat ein Konzept von "Freiheit" und würde sich schön bedanken, gingen plötzlich alle Gatter auf, und der wirklich sehr schnelle Gepard preschte unvermittelt wie ein Kampfradler unbeleuchtet aus dem Gebüsch. Oder die immer etwas überhysterischen Erdmännchen, von Natur aus kurz vorm Herzklabastern und für Unruhe und Neststörerei nur schwer zu begeistern. Andere (ich will keine Tiernamen nennen) liegen sowieso lieber faul gemütlich im Heu eingemuckelt vor der weit zum Freigehege geöffneten Türe in ihrem Unterschlupf und warten wie ein Fensterbrettrentner auf die Stunde, da der Pfleger mit dem Futter kommt.
Im Tiergarten Schönbrunn gibt es all das zu entdecken, zu beobachten und wenn man will auch bloßzustellen. Im Caféhaus im Zentrum der Anlage konnten früher Kaisers sitzen und frühstücken und dabei Laufvögel und Großkatzen beobachten, während sie Gebäckstücke in übergroße Kaffeetassen tunkten. Heute könnte man sich im wie eine brasilianische Fußballweltmeisterschaftssportstätte überwarm beheizten Tropenhaus bis auf die Socken vielleicht ausziehen und mit bunten Faltern Samba oder Lindy Hop tanzen. Winterfell oder Überjacken abwerfen und mit exotischen Tieren hitzige Gespräche führen. Und wem zuguterletzt wie nach drei Tagen in der Eistonne ist, kann den Eisbären beim Tauchen zuschauen.
"Die Menschen sind schlecht" singen Kreisky. Deshalb wären vielleicht auch die nervigeren unter den Besuchern besser selbst in Gehegen aufgehoben. In-den-Weg-Stolperer, Tier!-Tier!-Tier!-Kreischer oder Teenies, die mit Mobiltelefongeräten in Tierunterbringungen blitzen, an denen Schilder angebracht sind, auf denen deutlich steht: "Bitte nicht blitzen". Denen könnte man freundlich die Braunbären an die Leine geben. Es wäre ein gemütliches Flanieren dann unterm schwarzen Sonnenschirm mit einer dunklen Kaiserin am Arm. Langsam, bedächtig und bemüht, den Tieren ein klitzekleines Stück ihrer Würde abzuschauen.
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