Samstag, 12. Oktober 2013
Ich will nicht sagen, ich sei angefressen. Aber enttäuscht, das ein wenig schon. Auch wenn ich kein wirklicher Freund von Serien bin, hatte ich Hannibal lange erwartet, bin letztlich vorgestern ein wenig zufällig hineingestolpert. Na ja. Ich weiß jetzt gar nicht, was genau ich erwartet habe. Mir war es zu glatt. Zu sehr aus dem Baukasten. Jede Szene zeigt in erster Linie ihre Gemachtheit, da ist kein sinnvoller Fluß. Ein mörderisches Rezept, aber zu kalt serviert.
Das Casting, wie es in den USA halt sein muß. Wir brauchen einen Schwarzen in leitender Position, wir dürfen einen Asiaten nicht vergessen, am besten eine Frau, dann haben wir das auch gleich. Das Ermittlerteam beim FBI spiegelt brav die gesellschaftlichen Verhältnisse. Nicht aber die Vorschriften. Der Mann am Schießstand trägt Hörschutz. Die Frau, die direkt neben ihm und der Waffe steht, aber keinen.
Nur ein Beispiel. Medizinische Details, noch so ein Thema. Hanebüchene Erklärung der Ketoazidose. "Er erhöhte die Insulindosis". Ist klar. Mich wundern diese Schludrigkeiten bei Filmen, die ansonsten so über ihre ausgefeilten production values wirken. Der Kannibale im Schöner-Wohnen-Katalog mit Eileen-Gray-Beistelltischchen. Perfekt getönte Wände, ich habe gleich überlegt, meine eigenen noch einmal anzupassen.
Zeugen und Opfer tauchen auf und sind gleich wieder verschwunden ("ist verstorben"), halten den Plot nur auf oder schieben ihn unmotiviert weiter, vielleicht sollte man da aber bei der ersten Folge nicht zu hart urteilen.
Sowieso versuchte der Kollege mir mildernde Umstände unterzujubeln. Nicht jeder der jüngeren Zielgruppe kenne schließlich die Vorbilder, da könne man die alten Pointen ("Ich lade Sie und ihre Frau zum Essen ein") ruhig noch mal bringen. So wie den Einfall mit der "lebenden Leiche", den man schon aus Sieben kennt. Die Idee mit der Pilzkultur hingegen fand ich ganz originell. Ein schönes Bild, wie eine organische Skulptur. Dafür nervte rasch diese hingetupften, angestrengt auf "surreal" getrimmten Bilder von Hirschen, die durch Krankenhausflure wandern, überhaupt diese Super-Empathie als Behauptung. So als hätten wir nicht alle mal einen bösen Gedanken.
Hannibal scheint mir was für Leute, die, sagen wir mal, auch Coldplay gut finden. Rundgefeilte Ecken, Darsteller statt echter Charaktere, gutgekleidete Modemenschen, die tun als kennten sie sich in der Küche aus - und natürlich Klassik zum Essen hören, damit man als Zuschauer weiß: Da ißt ein Kannibale! Hopkins war schon etwas kippelig in seiner leicht affektierten Schauspielkunst, Mikkelsen sieht so gefährlich aus wie ein Männermodel auf den Einstiegseiten der Vogue. Bei The Fall beeindruckte mich, wie das Töten als umständliche, schweißtreibende-langwierige und abstoßende Handwerksarbeit gezeigt wurde. Nicht als eitle "Kunstform" für Menschen, die auch überdesigntes Küchengedöns im Hause haben, weil es sonst nicht mit dem Kochen geht. Lecter, der Manufactum-Killer mit der Klassik-CD-Sammlung von Zweitausendeins.
Ich hoffe, wenn Scully dazustößt, heizt sie ihm ordentlich ein.