Samstag, 15. Juni 2013
So, liebe halbgeschlafene Nacht. Ich schlafe ja nicht mehr körperkorrekt, mehr so als hätte jemand den Schalter ausgeknipst und alles dunkel gemacht. Wache ich auf, fehlt einfach nur Zeit, müde bleibe ich trotzdem, wie der Kopf in Nährlösung in The Brain that could'nt die.
Ebenso unentschlossen bleibt das Wetter. Die Nachrichtenlage: derzeit wunderbar (windig, graublau, irgendwas mit 20 Grad). Nächste Woche Drohkulisse mit 30+, ich werde den Chef fragen müssen, ob ich nicht im Kühlhaus die Zettel an den Zehen neu sortieren kontrollieren darf.
Während gerade Thurston Moore morgenentspannt in den Lautsprechern klimpert (der Typ ist jetzt weitläufig mit dem holländischen Königshaus verbandelt, diese Welt wird immer bizarrer. Kim Gordon hingegen, grad 60 geworden, spricht in der Elle), blätter ich mich durch Restaufnahmen der Kulturbesuche der letzten Wochen.
Herr Krüger präsentiert neuere Arbeiten von Henning Kles mit Use Your Illusion I & II. Teils mit Bitumen in hübsches Grau getauchte Leinwände, ein Material, das schon Dubuffet für die Art brut entdeckte, wißt ihr ja alles. Kles' kontrollierte Variationen der für seine Serien verwendeten Motive, zeigen deformierte Porträts, Männer mit schwangeren Bäuchen und Händen wie Prothesen, so eine Art popsurrealer George Grosz, fern zum Glück von Gothic-Kitsch oder neo-primitiver Klabusterei. Die Jugend immerhin ist begeistert und klärt gern alle über die Bedeutung auf.
Schon vor einiger Zeit in den Deichtorhallen die Retrospektive auf (zu?von?für?) Harry Callahan gesehen, die jüngst um ein paar Tage verlängert wurde. Interessantes Frühwerk, hübsch gehängte Abstraktionen mit korrespondierenden Akt- und Naturstudien, dann die Reihen mit den Doppelbelichtungen, mit denen er bekannt wurde. Spiegelnde Schaufenster, Menschen in die New Yorker Architketur gequetscht. Callahan, ursprünglich Autodidakt, hat relativ früh, also zu einer Zeit, als Fotografie alles andere als "Kunst" war und sich mit der Ansel-Adams-Schule sehr formal gab, mit entfesselter Technik und ungezwängten Begriffen experimentiert. Man muß das nur mal aus der Zeit heraus denken, wir reden ja nicht von einer Instagramwelt. Dann sind auch seine bereits in den 40ern - und damit weit vor Eggleston - entstandenen Abstraktionen auf Farbfilm zu würdigen. Plattencover allesamt, ach nein, las ich ja neulich im Freitag, Cover sind ja so was von überflüssig. Je nun. Deutschland, the land sans liner notes.
Möglicherweise hat die Zartheit, die oft bei Callahan durchscheint, ihm im Alter auch Hindernisse in den Weg gelegt. Die Reisefotos aus den 80ern nämlich fand ich doch ein wenig belanglos. Hausansichten aus Nordafrika, immer einen Tick von zu weit weg fotografiert, einen Tick mutlos, einen Tick ratlos, was mit dem Sujet zu machen sei. Wer gern vom Kopf her denkt, wird das aber trotzdem alles mögen.
Wer lieber gleich zu Hause bleiben und dabei in Ruhe seine Zwölftonmusik hören oder Kalorien zählen will, schaut ins Netz. Eine Schnipselsammlung japanischer Fotografie (oft nicht sicher für die Arbeit), Buchcover, Stadtszenen der 60er- und 70er-Jahre, ein Assoziationsstrom mit dem Tempo von My Bloody Valentine, ein satt riechendes Rosenbegräbnis.
("Henning Kles - Use Your Illusion I & II". Feinkunst Krüger, Hamburg. Bis 29.6.2013.)
("Harry Callahan - Retrospektive". Deichtorhallen, Hamburg. Bis 23.6.2013.)