Donnerstag, 23. August 2012
In meinem letzten Roman Ach, schon wieder keine Bio-Zitronen schreibe ich mit einem gewissen augenzwinkerndem Witz über das Großstadtleben eines engagiert denkenden, aber weitgehend handlungsverzögert lebenden jungen Mannes. Na gut,er ist schon ein klein wenig älter als jung. Also, der Roman ist autobiografisch.
Damals im Studium hatte ich eine Reihe obskurer Nebenjobs. Einer davon war Himmelsschreiber. Natürlich besaß ich damals keinen Flugschein, aber glücklicherweise war auch ein Pilot an Bord. Ich saß zusammengekauert hinter ihm und hielt den Kontrollknopf für die Düse, mit der wurde ein spezielles Öl in den Auspuff gespritzt und so dieser weiße Rauch erzeugt. So brummten wir für ein paar Markfuffzig über der Stadt und malten Botschaften in den Himmel. "Fliesen Müller hat jede Fliese" zum Beispiel oder "Jana, komm zurück!", manchmal auch einfach ein großes Herz (mit Pfeil durch kostete extra, das war technisch nicht so einfach, man macht sich da als Laie oft falsche Vorstellungen). Der Pilot war nicht nur Herrscher der Lüfte, sondern auch ein echter Spaßvogel. Gerne ruckelte er mal, ließ die kleine Maschine mittendrin absacken, während ich versuchte, ein Porträt zu malen oder Schalke 04, woraus dann 05 oder einfach kurz BVB wurde, wenn es mal schnell gehen mußte. Fragt ja anschließend keiner nach. Und wenn ich ansetzte, Himmel zu schreiben, flog er garantiert eine P-Runde. P wie Pilotenhumor. Wir haben viel gezankt an Bord. Mitunter aber auch gelacht.
Heute sind die Probleme im Leben natürlich nicht einfach weg, sie sind bloß anders. Ach, schon wieder keine Bio-Zitronen ist zum Klageruf einer Generation geworden. Schon wieder kein Titel! ruft der Fußballfan, schon wieder leere Regale im Emotions-HO. Mißmut wickelt sich ums Salatbesteck, denn je steiler die Vorstellung vom prima Leben sich am Erwartungshimmel skizziert, desto härter empfindet man die haltegurtlose Turbulenz als Vorbote einer fatalen Bruchlandung. Wäre er doch kräftiger gebaut, klagt es, (oder sie doch etwas weniger), wäre mein Grau doch das neue Schwarz und das Hipstergetränk meiner scheinbaren Wahl nicht immer gerade aus - Leben würd' ich es nennen (2. Buch Verstrahlungen, Vers 17). So aber droht Schicksal: immer sitzt man im falschen Restaurant, am falschen Tisch, bei der falschen Bedienung, stehen die Möbel nicht richtig, sitzen die Schuhe nicht richtig, tickt der Partner nicht richtig, hat man den schönen Platz im Theater nicht bekommen, den schönen Film nicht gesehen, die schöne Zeit so doof vertan. So die Gesänge, so die Klage, so das Unzufriedene. "Ach, schon wieder keine Bio-Zitronen", entfuhr es mir kläglich, die Karaffe mit Wasser in der Hand. Minze werde ich nehmen müssen, aber was, so ein Wehlaut, wird das dann für ein Leben sein?