Mittwoch, 1. August 2012


Zehn Jahre Rrrrrrroooooooock (und natürlich Wrestling)

"Unglaublich fairer Kampf."
(Ringrichterkommentar)

Zum Jubiläum gab es aber die ganz große Torte: Das einzig originale Hamburger Rock & Wrestling feierte gleich an zwei Tagen das zehnjährige Bestehen. Ich wurde am Samstag natürlich gemahnt (zurecht, völlig zurecht), den Freitag verpaßt zu haben. Aber man kann auch sagen, immerhin einen Tag, schön links und rechts in soziale Watte gepackt und ansonsten ohne weiteres Gegreine [Verlautbarung für die Öffentlichkeit]. Der zähe Wille zählt wie sonst nur innerhalb des Rings. Die Stimmung im Laden ansatzlos grrrrroßartig, man ist gleich irgendwie zu Hause. Die Welt, das habe ich an diesem Abend feststellen müssen, ist sowieso kaum größer als eine Ringmatte.



Sicht frei vom verkehrsberuhigten Plätzchen in der Invalidenecke: Ich steh aufrecht, die Kämpfer sowieso. Veteranin Heidi H. ruft die "Tittokratie" aus und zieht mit ihren Jungschar-Mädels Hanni & Nanni dem eh schon gebeutelten Baster den Seitenscheitel nach. Die Fuckers, so eine wilde Kuttenbande vom Abenteuerspielplatz, zeigen einem Mitnahmegetränk-Hipster, was to go noch alles bedeuten kann. ♥Dolly Duschenka♥ habe geheiratet - so die Nachricht, die zahlreiche Männerherzen im Publikum zu Dörrobst macht -, zeigt aber ihrem nunmehr fiesen Ex, dem Haspa-Man, daß mit ihr gewohnt furios und unberechenbar zu rechnen ist. Ring-Ehe kaputt, aber Aufatmen in der Luft. Ehekrach hat ja oft etwas romantisches auch, wenn man so zusieht.

Zwischendurch will ich mir Kunstblut von der Brille wischen - da fällt mir ein, ist St. Pauli hier, das ist kein Kunstblut. Aber für sowas bleibt keine Zeit, alle sind begeistert, was nicht wundert, denn Tiere gehen immer: Loony Lobster und Dr. Tentakel werden von Atomarschloch Kommander Kernschmelze mal so richtig auf Asse gelegt. Ziemlicher Gau, denn selbst Bento Love, der beste Kampfroboter von allen, geht mit Systemfehler in die Knie. Vielleicht suf Android umsteigen beim nächsten Mal. Inklusion ist ebenfalls ein Thema, wir grenzen nicht aus, sondern holen Schauspieler Michael J. F. und Muhammad A., die zittrige Biene, zum Park-and-Ride-Kampf in den Ring. Der Unparteiische, Sensation, ist Ozzy O., ein ehemals bekannter Hardrockfanfarensänger und Fledermausfreund. Herzergreifender Kampf, drei rüstige rostige Herren verkörpern den olympischen Gedanken und sind einfach mal dabei. Warmer Applaus zeugt von der Herzensgüte des mittlerweile exaltierten Publikums.

Schock und Feuer, Caracho machen Lärm und eine feurige Hitze, dazwischen immer wieder Nik Neandertal mit seiner Hymne, die so suchterzeugend ist, wie sonst nur pfannenwarmes Crack aus den Tiefen eines US-amerikanischen Wohnmobils. Zwanzig Mal hören wir das muntere Liedchen, heimlich werden zerknüllte Papiertaschentücher im Laufe des Abends wahlweise an die Augen oder in die Ohren geführt. Ganz rührend, wer die Hymne noch nicht kennt, bitte hier zwanzig Mal klicken.

Von der Titte zur Mitte, Lokalmatador Captain Penis zeigt Steherqualitäten und nimmt sich zusammen mit Hairy Helga in einem alwaysultraohneregel Käfigkampf den brutalen Metzger vor. Am Ende hätte man besser Regenschirme spannen sollen oder verdunkelte Brillen. So werden wir Zeugen von mutmaßlichen Gewalttaten, die zum Glück aber durch einen Vorhang verborgen blieben.

Große Sause, draußen Frischluft und schön verschwitzte Gesichter. Überhaupt schöne Gesichter. Nächtliche Wege neben flackerndem Fahrradlicht, die kleinen Gesten. Das ist schon alles richtig so. Ich gehe nur unwesentlich weniger elegant als ein alter Kneipenboxer. Aber im Grunde unbesiegt.

Radau | von kid37 um 11:59h | 8 mal Zuspruch | Kondolieren | Link