Dienstag, 14. Juni 2011
Der belgische Künstler Jan Fabre ist offenbar tatsächlich ein Stiefenkel des berühmten Insektenforsches Jean-Henri Fabre, dies sei aber nur in einer wie an Spinnweben herbeiassoziierten Gedankenkette angemerkt. Das Naturfreundliche der Familie spiegelt sich in seinen Ausstellungen: tote Tiere, zerlegte Wesen, die Freundlichkeit einer pelzigen Überraschung.
Angeblich, so lese ich, sei er "nach einem zweimaligen jugendlichen Unfall mit Komafolge [...] unfähig, länger als drei Stunden zu schlafen." [Q] Kontinuierliches Schaffen ist ein Weg, damit umzugehen, Repetition (wie im Tanztheater, für das Fabre inszeniert) ein Ausdruck. So erklären sich vielleicht auch die Bilder, die derzeit im Kunsthistorischen Museum in Wien zu sehen sind.
Riesige Formate, Gemälde, und beileibe keine Zeichnungen, wie es zu vermuten ist. Die Bilder sind mit BIC-Stiften entstanden. Fabre zeichnet keine Umrißlinien, er malt. Mit BIC-Stiften. Obsessiv, neurotisch, bekloppt sind dort vielleicht in diesen ungezählten schlaflosen Stunden Schraffuren und Texturen entstanden, so wie man selbst beim Telefonieren einen Block vollkritzelt, wie man früher in einer halb verpennten Geschichtsstunde oder Philosophievorlesung die Ränder seines Heftes verziert und in endlosen Girlanden bemustert hat. Bei Fabre wellt sich das Papier, wo sich die schmale Spitze dicht an dicht an dicht ins Papier gegraben hat, wo Kulitinte wie hingegossen und doch eingeschabt in das Material strömte. Mit BIC-Stiften.
Neben Texturen und Rhythmik werden einzelne gegenständliche Abbildungen sichtbar, Schädel, Insektenpanzer, eine Erinnerung. Blauer Wahnsinn, aber mit System. Der Tintner übrigens stammt nicht von der Tinte ab, sondern aus dem schlesischen Tinz¹. Fabre, als Choreograph und BIC-colateur gleichermassen tätig, schließt hier einen Kreis.
Wahnwitzig aber auch die Präsentation. Das muß man sich auch erst mal trauen, Kugelschreiberbilder umstandslos zwischen Tizians und Breughels und Rubens' und Cranachs zu hängen. Und Fabre kommt bei diesen Gegenüberstellungen gar nicht mal schlecht weg.
¹ vgl. Hans Bahlow. Deutsches Namenslexikon. Frankfurt/M., 1972.
(Jan Fabre, "Die Jahre der Blauen Stunde". Kunsthistorisches Museum, Wien. Bis 28. August 2011.)
>>> Webseite von Jan Fabre