Freitag, 23. April 2010


Schade

Jetzt verzahnt sich Blogger.de auch mit den Datenkraken.

(Kein Angst, nur Spielen!)

>>> siehe auch Spon

| von kid37 um 01:17h | 27 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 



Beschwingte Abende

Oft lese ich ganze Seiten und weiß gar nicht,
was ich gelesen habe. Ich fange dann noch
einmal von vorn an und entdecke, daß das
schön ist, was ich gelesen habe. Es handelt
von Menschen, die unglücklich sind.

(Thomas Bernhard. Frost. 1963.)



Von einem freundlichen Kollegen bekam ich dieser Tage eine Reihe wunderbarer Filme aus dem Schaffen Ulrich Seidls geschenkt - muntere Unterhaltung für lebensbejahende Heimkinoabende, meinte er, Berichte aus einem "kalten Österreich", genau das Richtige für mich. Kann ja gar nicht sein, denkt man, aber dann zitiert der Klappentext zu Tierische Liebe die Tiroler Tageszeitung: "Mehr Kälte, Einsamkeit, Schrecken ist in einem einzigen Film nicht vorstellbar" - und eine solche Erfahrung will man sich besser nicht entgehen lassen.

Seidls Import Export hatte mir einst ganz gut gefallen, aber aus einem nicht mehr nachvollziehbaren Grund bin ich dem wunderbaren Werk dieses Mannes bislang nicht weiter hinterhergestiegen, Versäumnisse, die es nachzuholen gilt. In kargen, streng gebauten Bildern, mit Sets, die auf wenige Zeichen und Farben reduziert sind, weist Import Export Seidl als eine Art österreichischen Kaurismäki aus, mit einem gewissen Leerlauf in der Handlung vielleicht, eine stilisierte Langeweile, ausgefüttert durch die strenge Symmetrie der ruhigen Bilder.

Noch weitaus beeindruckender aber finde ich die Doku Tierische Liebe, ein Film, der einen rasch auf eine Weise bannt, wie es nur der Grusel des rätselhaft Authentischen vermag. Echt oder geschauspielert, echt oder geschauspielert? fragt man sich ein ums andere Mal, wenn man den Blick in abgewrackt wirkende Welten wagt, einem trostlosen Wien jenseits der Zuckerbäckeridylle, in dem einsame, gebrochene Gestalten in ihren Hunden, Kaninchen oder Frettchen die einzigen Freunde und Partner finden. Die sorgfältig durchkomponierten Bilder (Kamera: Peter Zeitlinger, Michael Glawogger, Hans Selikovsky) machen dabei aus wirklich jeder Einstellung ein minimalistisches Tableau, eine berückende Künstlichkeit, die den Film über übliche Sozialschmuddel-"Dokumentationen" heraushebt und überhaupt erst erträglich macht.

Wer ein wenig im Presseheft stöbert, versteht die langwierigen und aufwendigen Vorbereitungen, die Seidls Stil der "inszenierten Wirklichkeit" ermöglichen. Natürlich schleicht sich dennoch immer wieder unbehaglich die Frage in den Raum nach dem Nutzen, Benutzen und Ausnutzen der allzu leicht als "Material" zu verstehenden Realität - also den realen Schicksalen und Menschen (die sich meist deutlich nicht auf Augenhöhe mit Regisseur und Team befinden). Das Ergebnis bleibt dennoch ein erschreckendes, intimes und beeindruckendes Dokument, das unter der Oberflächenschicht des Bizarren und Skurrilen befremdlich und zugleich verstörend berührend ist.

(Tierische Liebe. Österreich, 1996. Regie: Ulrich Seidl.)
(Import Export. Österreich 2006. Regie: Ulrich Seidl.)

>>> Webseite von Ulrich Seidl

Super 8 | von kid37 um 14:00h | 10 mal Zuspruch | Kondolieren | Link