Mittwoch, 3. Oktober 2007
Herrliches Wetter am Nationalfeiertag also 17. Juni äh 14. Juli na, jetzt aber, Tag der Deutschen Einheit. Endlich wieder Kaiserwetter, Sonne satt für die Ausgehuniform, dazu ein leichter Wind, der die Fahnen spreizt, statt sie erektionsschlaff am Mast hängen zu lassen.
Auch auf dem Flohmarkt schwarzrotblonde Pracht. Mehr noch aber locken die Restbestände einer alten Zahnarztpraxis. Wieviel Geld man sparen könnte! Wieviel Nerven auch, drängte es nicht immer Menschen mit Kinderkarren und Fahrrädern durch dichtgedrängte Reihen. Was geht mit güldenen Oktoberwäldern und satten Flußlandschaften, möchte man rufen, Schuhe und Empfindliches in Sicherheit bewegend. Aber heute sind wir alle eins. Verbissene Mütter, die wie Großraumpflüge durch Herbstlaub mit Puki und Teutonia in bockige Grüppchenbildner preschen, schottergraue Heftchensammler, mit dem novemberfeuchten Geruch, der ihren Kleidern entsteigt, die Ein-Euro-Feilscher und angedellte-Ecken-Monierer, die Begeisterten und Zufriedenen, die Adressen-Austauscher und prospektiven Keller-Besichtiger. Kommt näher zu mir, ihr Beladenen, rufe ich, in einer seltenen Anwandlung von Leutseligkeit quer über den Platz zu den Kofferträgern, den Kindergeschminkten, den Kaffeetischsitzern. Laßt Schachern, laßt Feilschen! Doch schnell, schnell wie kleine flinke Mäuschen verstecken sie ihre Schätze tiefer in den Jackentaschen, äugen mißtrauisch und schräg, manch einer legt sogar die Stirn in Falten. Eine alte Dame umklammert ihren Gehstock, bis die Knöchel weiß werden.
Wir wollen doch eins sein, nur heute einmal. Gemeinsam singen, tanzen uns frei fühlen und kollektiv ausziehen vielleicht... Die letzten Worte entschlüpfen mir bereits tonloser, fast lautlos. Die ältere Dame ist empört, beginnt mit ihrem Krückstock quer über meinen Rücken zu schlagen. "Flegel", kreischt sie, während ich mich ducke, die Arme hochnehme, meinen frisch verheilten Kopf zu schützen.
Ach, denke ich traurig, stelle mich abseits und greife zur Stärkung zu einer Banane. Bald heißt es wieder, jeder Mann seine eigene Lichterkette. Wir sind wohl noch lange nicht eins.