Dienstag, 1. August 2006
soll dein Mal gesegnet sein
ist gut kochen lernen.
(Sprichwort)
Von allen spontanen Menschen dieser Erde bin ich sicher nicht der allerspontanste. Manche Dinge müssen reifen, und ehe ich mich auf eine Expedition begebe, werden Wege wohlgeplant. Karte, Kompaß und für den Fall des schlimmen Falls eine Schwimmweste - so ausgerüstet breche ich auf und bin dann nicht mehr aufzuhalten.
Be prepared! lautet ein Wahlspruch meiner Familie, deren Vorfahren einst im napoleonischen Gefolge in den sumpfigen Regionen Osteuropas hängenblieben, aber immer genau wußten, wo sie waren. Auch waren meine Ahnen stets erfindungsreich, vor allem die Männer (die Frauen hielten das oft und völlig zu unrecht für "Spielerei"). So war es einer meiner Altvorderen, der den Mittagsschlaf für Erwachsene erfunden hat. Leider wurde der gutgläubige Alte aber, bevor er zum Patentamt eilen konnte, von einem Spanier bestohlen. Der Rest ist Geschichte und die Siesta ein teurer Importartikel.
Neulich war es an mir, unwegsame Gefilde zu beschreiten. Es schien mir eine prickelnde Herausforderung, auch mal neue Wege zu gehen, als ich neulich morgens erwachte und auf das Leinentuch über meinem Bett blickte, mit dem eingestickten Spruch: "Käsebrot, Käsebrot - laß ich nicht liegen ohne Not". Aber manchmal kann man ja auch mal spontan sein, einen draufmachen, fünf gerade sein lassen, und den wilden nackten Küchenchef markieren. To go, where no man dared to go before! Aber natürlich nicht ohne meinen Plan. Was der Schneiderin der Schnittmusterbogen und dem Bahnreisenden der Fahrplan ist dem Küchenmaestro das Kochuch. Mir jedoch jagte Marguerite Patten mit ihrem Werk Cookery in Color: A Picture Enzyclopedia for Every Occasion Schauer der Erregung über den Rücken. Für nur 1 Euro im Antiquariat erstanden, wird es mich nun begleiten, Mahlzeit für Mahlzeit.
Köche, so lehrte mich nämlich das Leben, haben nicht nur immer Sahne im Haus, sondern auch Schlag bei den Frauen. Und das habe ich jetzt auch.
Zwar ist das Werk schon etwas älter, es stammt aus dem Jahr 1964, als die Beatles gerade mit "Eight Meals A Week" die Spitze der Charts erklommen. Aber ein anderer Wahlspruch meiner weitverzweigten Familie lautet "Alte Suppe rostet nicht", und so bin ich frohen Mutes, was den Erfolg meiner Speisen angehen wird. Ms. Patten erklärt erst einmal ganz genau, was es mit Boiling, Braising, Poaching und Stewing auf sich hat, und macht dann mit der Aussicht auf "many very unusual dishes" gleich Lust aufs Loslegen.
Nur kurz empfand ich Sorge, als mein Blick auf die englischen Maße fiel, die in diesem Buch benutzt werden. Aber als höfliche Britin nimmt einem Ms. Patten schnell alle Ängstlichkeit, was das Umrechnen angeht. "For practical purposes", so schreibt sie, entsprächen zwei amerikanische Maßbecher dem britischen Pint. Und was französische Maße anginge, nun, auch da hat unsere legere Köchin eine hoffentlich wohlbegründete Meinung: "It is difficult to convert French measures with absolute accuracy". Eine entspannte Frau, ganz nach meinem Geschmack, deren Leitworte offenbar die folgenden sind: "This is an approximate guide only."
So unbekümmert also frisch an die Vorspeisen: "Without spending a great deal of time or trouble you can assemble a very interesting selection of foods for hors d'oeuvre" - interessant, interessant! Rollmop Herrings ("Use large herrings") halten sich nach Ms. Pattens Rezept drei bis vier Wochen. Das ist fein, hat man doch immer was im Haus, wenn überraschend Gäste kommen. Die Suppen überspringe ich, auch wenn "Mint Pea Soup", nun ja, interessant klingt. Mir ist aber mehr nach einem Hauptgericht, meinetwegen auch eher geschätzt zubereitet denn präzise.
Fleisch in allen Aggregatzuständen, angereichert mit Dosenobst, Fett und minzigen Saucen - und alles in Bergarbeiterportionen. Soll noch mal einer behaupten, die englische Küche machte Blogger nicht satt! Wild, Geflügel und die glückliche Kuh: Ms. Patten weiß, wo selbst fürs Lämmchen der Hammmer hängt, verschont aber auch nicht die Vegetarier: Gemüsepasteten werden hier zu turmhohen Essdenkmälern geschichtet. Ein wenig ab vom Wege komme ich, im Brutterbot Sandwich-Kapitel. Tolle, leichte Schnitten für hungrige Mäuler, da läuft einem doch gleich die Mayonnaise im Munde zusammen.
Fluffige Süßspeisen in aufmerksamkeitsheischenden Farben gibt es zum Nachtisch im Kommentar.