Mittwoch, 28. Juli 2004
Letzte Woche bin ich endlich in den langersehnten Besitz eines Buches gekommen, um das ich schon lange herumgeschlichen war. Leider war es immer sehr teuer. Nun ist es nur noch teuer, und da mußte ich es haben. Der Augenarzt und Sammler von Fotografie Stanley B. Burns hat seit den 70er Jahren eine beeindruckende Kollektion medizinischer Fotografie zusammengetragen. Kuratiert von Joel Peter Witkin hat der überhaupt sehr empfehlenswerte Verlag Twin Palms eine gewohnt edel gedruckte Auswahl vorgelegt. Die oftmals ruppig wirkende, ursprünglich als rein dokumentarisch intendierte Medizinfotografie streift mit dem heutigen Blick oft das Künstlerische. So ähneln die spontanen Muster bestimmter Hautkrankheiten rituellen Tribal-Tattoos oder mit Henna gefärbten Mendis. Aus dem Blickwinkel der Ästhetik des Häßlichen offenbaren selbst grausame Kriegsverletzungen und Körperdeformationen ihren eigenen Reiz. Im Zeitalter der mutwilligen Body modifications durch Brandings, Scarification und kosmetischen Amputationen wirken diese Dokumentationen wie eine bestürzende Spiegelung. Vorbildlicherweise ist jedes der fast 130 Fotos in einem Register ausführlich dokumentiert. Eine interessante Reise in die Frühzeit der modernen Medizin und die (heute oft unterdrückte) Vielgestalt des menschlichen Körpers. Einige Beispiele gibt es hier. (Achtung: Explizit)
Während des Studiums habe ich ja zwei bewußtseinserweiternde Jahre in der Pathologie gearbeitet. (Nein, nicht als Sektionshelfer.) Leider gab es an diesem Ort keine Rechtsmedizin, möglicherweise hätte ich noch einmal umgesattelt. Mein Interesse für die Welt des Dr. Quincy war auf jeden Fall geweckt. Passend dazu erwarb ich noch die Crime Album Stories: Paris 1886 - 1902. Das liebevoll gestaltete Buch führt in die Zeit von Jack the Ripper und die Frühzeit der modernen Kriminalistik. Tatortfotos und ausführliche Dokumentationen versprechen eine spannende Lektüre.