Von Ostern bis Walpurgis


Der Herr Jesus wird verraten

Kurz vor Ostern wie ein ungelenk herumschlingerndes Ei in die alte Heimat gekullert, ein paar Dinge mussten geregelt, andere entriegelt werden. Das ist jetzt so diese Phase, ich bin plötzlich Eltern pubertierende Teenager geworden, nur dass die doppelt so alt sind wie ich (fast und gefühlt). Man macht dann so Vorratskäufe, lernt Supermärkte kennen, die glaubt man nicht, kilometerlange, aber Misstrauen erweckende Fleischtheken, Schnapso-Schnapsi-Schnaps und Mittelgang. Männer im Mittelgang, mein nächstes Buchprojekt zum Thema „Kultur & Gesellschaft“ schrieb sich fast von selbst, das Ganze könnte dann als Recherchereise von den Tantiemen und deren Versteuerung abgesetzt werden. Ich wollte mich dann auch schnell absetzen, musste aber noch zur Karfreitagsprozession, wenigstens die Anfänge der ganzen unglückseligen Geschichte sehen. Bis zur Kreuzigung habe ich es nicht geschafft, es ist ein langer Marsch, selbst mit dem imaginärem Kreuz, das man so trägt. Aber wie der zur Verblendung verführte Herr Ischariot den armen Herrn Jesus verriet, das sah ich wohl. Auch hier Übersprungshandlung bei Umstehenden im Deweerth’schen Garten. „Da vorne“, so ein Mann zu seiner kleinen Gruppe, sei „ein Geldautomat, da müsse er noch hin.“ Einmal 30 Silberlinge, Cash auf die Kralle, wie man im Tal so sagt, und bitte beleglos.


Heimdekoration kennt viele Muster

Bei meiner Mutter gibt es da, wo bei euren Eltern die Porzellangänse aufgereiht sind, Sepulchralschmuck wie auf einem Friedhof. Gleich daneben, nur halb hinter einem Vorhang versteckt, eine viktorianische Puppe, die um Mitternacht zum Leben erwachte und dem Schläfer auf dem Sofa deutlich zuflüsterte: „Es ist eine große Schuld! Es ist eine große Schuld!“ Man hätte das ein wenig unheimlich finden können, aber ich habe solche Situationen im Kino erlebt, wenn irgendwelche Annabelles oder andere Porzellanpuppengeister auf alten Dachböden Staub aufwirbeln. Man muss sie sich zu Freunden machen oder gleich kräftig draufschlagen. Manchmal muss man auch Buße tun oder ein altes Unrecht sühnen. Oder einfach noch mal in so einem Trash-Supermarkt einkaufen, damit ist auch einiges abgetragen.


Demnächst im Kino: Das Spukhaus in Wuppertal

Im Zug zurück durch die Nacht dann Trümmerstimmung. Erschöpfte Studenten, dauertelefonierende Schwärmer, die Halt und Trost oder einfach nur offene Ohren suchen. Dabei auch viel Verrat. „Ich will ja nicht schlecht reden, aber…“ Die neue Kollegin jedenfalls hat einiges angestellt, manches davon auch höchst privat. „Stell dir vor, und das darf niemand wissen, aber…“ Es folgte Delikates und auch weniger Delikates, Menschliches und Allzumenschliches und andere Dinge die das Leben einem in den Schoss wirft und keinem was angehen. Schon gar nicht dem Großraumwagen. Ist ja kein Blog. Für mich als jemanden, der mit anderen Menschen kaum spricht, schon interessant, wie das unter sog. Freunden und Kollegen so geht. „Sag es bitte keinem weiter.“


Leitfaden und Erlebnisbericht: Gustav Meyrinks Walpurgisnacht


Brombeerzweig: Nicht Geißel, nicht Maibaum. Heimdekoration kennt viele Muster

Wollte mich dieses Jahr ganz abgerundet auf Walpurgis vorbereiten und versuchte, einen Maibaum zu finden. In der Kleingartengegend hier lag aber nur ein Gestrüpphaufen mit dornenkronigen Brombeerranken. Bin noch nicht überzeugt, ob das eine angemessene Einladung ist für junge Paganistinnen, die nackt oder im im weiß wehenden Hemdchen darum herumtanzen wollen und bunte Bänder verweben.


Paganistinnen in der Walpurgisnacht. Unbek. Fotograf

Vorm Nebenhaus steht ein Gerüst, die könnten also gut auf ihrem Besen heranfliegen, landen und Spaßmagik und anderen Frühlingsschabernack betreiben. Gustav Meyrink hat da einiges zu geschrieben, Punsch und Panik in der Nacht, Gewispertes und Gerauntes, einiges davon rückwärts gesprochen wie von einer alten von Dämonen besessenen Puppe im verfluchten Elternhaus. Ich nehme vorsichtshalber einen aus Wuppertal mitgebrachten Schnapso-Schnaps und nasche zur Stärkung mit Nasomatto sanft parfürmierte Kekse, was wohl der letzte Schrei unter jungen Leuten sein soll, wie ich mir habe erzählen lassen. Klingt kontrovers, aber ich will da nicht richten.

Homestory | 18:22h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
fidibus - Mittwoch, 30. April 2025, 19:34
Für das Recht der Eltern auf jugendliche Unvernunft! :-)

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nnier - Mittwoch, 30. April 2025, 20:01
Immer interessant! Solche Dokumentarfilme über die Herstellung von Produkten liefen in den 90ern auf N24 im Vorabendprogramm, z.B. Ungarische Salami. Da wird ja auch naiv behauptet, es seien sog. Wurstfabriken beteiligt, tatsächlich sind es junge Frauen in traditioneller Tracht, die beim Wolfen des Fleischs singen und tanzen. Ganz ähnlich also bei diesen Duftfläschchen, hätte ich gar nicht gedacht!

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fritz_ - Mittwoch, 30. April 2025, 21:43
An Ostern ergab es sich, dass ich unvorbereitet aber neugierig einen katholischen Gottesdienst vorgeführt bekam. Das erlebt man nicht alle Tage als (getaufter) Heide lutherischen Bekenntnisses!

Ich war nach einer Fahrradtour auf dem Weg direktemang zu einem Berggasthof, und Durst ist schlimmer als Heimweh, doch vor den Gasthof hat der liebe Gott die Kirche gesetzt, denn sie ist im Haus davor.

Es war Ostersonntag. Alle Türen der Kirche offen, man hörte gewaltigen Gesang und eine Orgel, ich ließ mich anlocken, und eh ich's mich versah, saß ich in meinem Fahrraddress, Klamotten wie ein Zwölfjähriger, neben anderen in der Kirche in der letzten Reihe.

Ich sang jedes Wort mit, stand auf, wenn alle aufstanden, setzte mich, wenn alle sich setzten, murmelte im richtigen Moment, hörte das Glöckchenklingeln des Messdieners, sah den Kelch sich erheben, und hatte sogar meinen Durst vergessen.

Der meldete sich aber sofort wieder, als ich wieder nach draußen kam und in den Gasthof wechselte. Die Tschechen haben da so ein Bier, das ganz grün aussieht, das es nur an Ostern gibt, grün wie die Hoffnung, und es hat angeblich was mit Gründonnerstag (Zelený čtvrtek) zu tun. Ostertradition oder Marketinggag, wer weiß das schon? Einer meinte, das Grün kommt von Brennnesseln. Sirup ist es jedenfalls nicht, der die Farbe macht.

Gut gefallen hat mir das Ritual, dass Kinder mit einem Körbchen und langen Weidenzweigen (als Drohung) von Haus zu Haus gehen und Süßigkeiten und Eier einfordern. Man sieht auch, dass erwachsene Männer mit fiesen, langen Weidenruten herumlaufen, die konzentrieren sich glaub ich aufs Austeilen.

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