"Steinobst". (Skulptur, 2024. Holz, Bindfaden, Stein. 1000,- Mark.)
Im Leben kann man sich nur auf eins verlassen, und das ist die Kunst. Und wenn die Abende länger werden, so werden sie auch schöpferischer: Aus den im Sommer bei Mansardenwohnungshitze ausgebrüteten Ideeneiern pickt und schält sich nach und nach Gestaltetes heraus, so wie hier meine umwelt- und gesellschaftkritische Skulptur "Steinobst". "Harte Frucht vom kargen Baum/Sollst mein Wintermahl mir sein", heißt es im protestantischen Gesangbuch. Oder auch: "Schwer hängt die Frucht/Und wie ein Stein im Herzen".
Habe jetzt begonnen, meinen ersten Krimi zu schreiben, weil ich gehört habe, so etwas liefe gut als Genre und man käme auf diese Weise zu Geld, ohne dass man dabei selbst eine Bank überfallen müsste. Mein mit lokalem Ambiente gefülltes Debüt heißt "Dunkel war die Nacht" (AT), und der Anfang lautet: "Alles begann, als jemand sagte, mach doch mal Licht. Und es ward Licht. Und es ward eine andere Art von Finsternis. Und es waren nicht die umgekippten Stühle, die mit Unrat übersäten Möbel oder das viele Blut, das auf dem Boden lag."
Die ganze Chose soll herumbollern wie ein hartgekochtes Ei in einer Campingtasche, in der außer einem Kotelett und einer Flasche warmen Bieres auch ein Beweisstück liegt, hinter dem gesottene Polizisten her sind, sowie ein pfeifender Detektiv, der in der Kneipe "Zum letzten Loch" gastiert, und Gangster, die mit rauen Stimmen und ebensolcher Haut an den Fingerknöcheln durch den Hafennebel schleichen.
Vom Killer zur Killing Machine. Das kanadische Künstler- und Ehepaar Janet Cardiff und George Bures Miller sind für ihre Klanginstallationen und Filme bekannt. Reizvoll ist ihr antikes Klangkabinett, bei dem man durch Öffnen und Schließen der Schubladen eigene Mixe aus unterschiedlichen Soundfragmenten zusammenstellen kann, die den Raum nach und nach befüllen. The Killing Machine, eine Hommage an Franz Kafkas "Strafkolonie", eint verstörende Mechanik unter einer glitzernden Discokugel, der gleichnamige Begleitband mit hintergründigen Geschichten von zum Beispiel Philip K. Dick und vielen Fotos und Skizzen von rostigen Trichtern und anderen Klangerzeugern und -verstärkern sei dringend empfohlen. (Bei Hantje & Cantz.)
Die Briten haben das Walking Artists Network. Der Spazierbummel als kulturelle Praxis und Forschungs- und Sammlungsgang für visuelle Eindrücke, Umweltklänge und soziale Interaktion. Nie mehr "einfach so" unterwegs, sondern als entspannte ortsspezifische kulturelle Intervention - ob eins mit der Umgebung oder quer zu ihr. (Hier regnet es leider gerade.)
Dann sei halt wie ein Stein, genieße das Nichtstun. "Überlege nicht, was du als nächstes machst, sondern was du als nächstes bleiben lässt" heißt es in diesem wichtigen Arte-Beitrag übers Faulenzen und den Müßiggang. Dolce far niente in Italien und Abhängen in Berlin - aber natürlich nicht Durchhängen dabei, sondern mit Genuss der Ruhe nachhängen. "All art is perfectly useless", sie folgt keinem Zweck, heißt es. Schaff an einem anderen Tag.
"Kunstwerke sind phänomenal, historisch, unwirksam, praktisch folgenlos. Das ist ihre Größe.
Gottfried Benn"
Da merkt man mal wieder, was so ein kleines Komma für eine Macht hat. (Brauche ich auch noch als Stempel: Historisch unwirksam!)