Der hl. Antonius von Padua und Votivbein, 1765
Bin schon wieder von aktuellem Reisestarrkrampf befallen, eine generellen Durchführungsunlust und Planungsresistanz. Ich bin in vielen Dingen wunderbar (um nicht zu sagen: wundersam) unfähig, aber nirgends so unfähig wie zum Urlaub machen. Das fängt schon mit dem Begleitumstand des Alleinreisens an. Zwar sagen mir immer wieder Leute, die selbst noch nicht einen Tag im Leben alleine verreist sind, wie toll das sei, ich kann dem aber keinen Gewinn zuschreiben. "Ist es wirklich schön, ohne andere in den Urlaub zu fahren? Am Flughafen finde ich es noch gut, danach wird es bedrückend: Wenn man einfach niemanden hat, mit dem man sich austauschen kann", schreibt Daniel Haas im Spiegel [€] und - das habe ich nicht oft gemacht - hier muss ich ihm zustimmen. Manche fahren mit Haustier. Ein Hund ist ansprechbar und passt auch aufs Gepäck und den Mantel auf, wenn man mal eben vom Caféhaustisch zur Caféhaustoilette will. Aber so ein Tier will auch organisiert sein und in manche Länder kommt man mit zahmen Hund (oder Leguan) nicht rein.
Vielleicht so habe ich heute gedacht, als ich mit einem kleinen Bildband über Votivmalerei aus der Bücherstube der örtlichen Christengemeinde kam, hülfe ein Fürbittgebet oder eben ein Votivmalerei als vorauseilender Dankbezeugung. Statt maladem Bein könnte ich einen Reisekoffer malen oder einen Globus. Ich könnte (klassischerweise: müßte) eine Wallfahrt unternehmen zur Grabeskirche der Reiseveranstalter und dort um Gebetserhörung beten. Ich brauche dabei keinen Hl. Christopherus als Schutzheiligem und Nothelfer der Reisenden, sondern einen Schutzheiligen der Zauderer und Gar-nicht-erst-Losfahrer.
Die Gründe sind natürlich lange untersucht und vielfältig. In der Jugend, wenn alls gleichsam unbekannt und spannend und man überall auf der Welt ähnlich spannungsgetrieben trifft, ist das alles einfach. Jetzt, da ich keine 37 mehr bin, ist viel Spannung verloren, wenn man Dinge isoliert - also allein - betrachtet. Eine Frage des elektrischen Gleichgewichts also. Ändern kann man das nicht, zumal ein Großteil meiner spannenden Reisezielideen oft nur Hohngelächter oder Fragezeichen als Reaktion hervorrufen. Das ändert sich, sobald erste Influencer solche Ziele entdecken, dann auf einmal ist keiner mehr zu halten, alle fahren hin - nur ich, ich bleibe zurück.
Die ARD zeigt gerade eine Dokumentationsreihe übers Reisen vor 100 Jahren. Auch interessant, aber dafür bin ich nun zu spät dran. Man bekam sicher schlappe Beine und nicht immer gute Kost. Und mancher kehrte nicht einmal mehr wieder heim. Das kann einem beim Nichtreisen nicht passieren.
(Abb. aus Klaus Beitl, Votivbilder: Zeugnisse einer alten Volkskunst. München, 1982.)
Arrive without traveling
See all without looking
Do all without doing
Ich kann dem immer mehr abgewinnen.