Neulich stand ich im Bad, bloß, brav und nicht nur intellektuell unbewaffnet. Ich hatte nämlich meine Brille nicht auf und die Frage vor mir: Tier oder Flusen, tot oder hinterlistig? Mit Brille und Präparateglas schon etwas bewaffneter, fing ich diesen Kaventsmann von einem Insekt (umgspr. auch "Kawennzmann" oder "Oschi" bzw. "Riesenoschi") und konnte meine Überraschung kaum fassen.
Als ich nämlich noch einmal 37 jahre alt war, da sang der Liedermacher ("Singersongwriter" für die Jüngeren) Reinhard, Achtung, Mey über seinen Namensvetter: "Es gibt keine Maikäfer mehr". (Hier eine Aufnahme der Electrola.) So war die Zeit nämlich: Es gab keine Maikäfer mehr, und auch keine Sommer, wie Rudi Carrell im Jahr darauf feststellte. Man sieht: Wir hatten ja nichts, oft noch nicht einmal ein Bonanzarad.
Und so habe ich im Leben zwar viel gesehen, manches von oben, anderes von unten, aber eben noch NIE einen echten, lebenden Maikäfer! Dabei war ihm das Leben zunächst etwas entwichen. So standen zwei matte Gestalten Auge in Auge, und über ihnen immer die Frage, wer macht zuerst schlapp? Da ich keine Eichen oder andere Bäume auf der Fensterbank züchte, tunkte ich einen Schnipsel Papiertuch in Zuckerwasser - und tatsächlich kam bald Leben ins Glas. (Ich schaute immer wieder, aber nie zu tief hinein.)
Dann setzte ich ihn auf einen Pinsel - und im harten Kontrast fiel mir auf, der Bursche hat gar nicht diese charakteristischen Pinselantennen! Und die Schwarzfärbung auf der Brustplatte! Ich also den Kottan gechannelt, eine grelle Schreibtischlampe auf den Burschen gerichtet und verhört. "Sans vielleicht gar nur a Junikäfer?" Weil, I hob da scho a bisserl a Verdacht gehabt. Man liest so viel darüber: Enkeltrick! Telefon läutet, "Du Opa, i bins, da Enkel." Gab sich hier ein Junikäfer als Maikäfer aus, um mich zu foppen und günstig einen Energiedrink abzugreifen? Kurz hatte ich an mein Glück geglaubt! Schon war es zerplatzt.
Ihm blieb die Fensterbank, mir nur Tränen. Vom Zucker genährt und von der Sonne getränkt verlieh ihm meine Hinwendung letztlich Flüüüüügel, und so propellerte er ab, über den Kanal, Kleingärten im Blick. Na dann alles Gute, Servus und Baba.
Ich kannte das Lied, den Namen der Band hätte ich nicht gewusst: Gruppe Drei. Eine Folkband, die über die Dörfer tingelte, halt so zeittypisch. Es ist gar nicht so leicht, die auf Konserve zu finden: Von dem, was man findet, ist jeder Song ein Ohrwurm, feinster Hippiekitsch. Zwei, drei Lieder sind auf YT, ausgerechnet dieses Schätzchen nun gerade nicht, sondern nur bei einer Seite, die Dailymotion heißt.
Man muss sich aus Nervgründen ggf. die Mundharmonika wegdenken: Maikäfer such ich nicht mehr.
Eine Gefahr für die Bevölkerung hat zu keiner Zeit bestanden! Nun hat sich aber, ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen, offenbar tatsächlich die "Sauron"-Kraft im Wasser ausgebreitet. Denn ein paar Tage später, es gab Gelärme vom Wasser her, wurde ich Zeuge, wie ein Blässhuhn eine Möwe zu ertränken versuchte, indem sie dem als "Pommesdieb" bekannten Vogel immer wieder auf den Rücken sprang und den Kopf unter Wasser zu drücken versuchte. Das ging so eine Weile, die Möwenkollegen umflogen das Geschehen interessiert, dann gelang es dem erschöpften Tier, sich auf eine Böschung zu retten. Der Abend endete mit einem Stand-off: Möwe im Gebüsch, Blässhuhn-Gang (5 Mann!) unerbittlich davor. Stundenlang. (Da war schon Vernichtungswille im Spiel.)
Jetzt ist seit zwei Tagen absolute, verdächtige Ruhe auf dem Kanal. Ein paar Gänse ziehen umher, von Möwen und Blässhühnern keine Spur. Die Hitze! werden jetzt Schlaumeier rufen. Ab es ist ja wohl wahrscheinlicher (Ockhams Rasiermesser!), dass die Blässhuhn-Gang auf dem Polizeirevier zur weiteren Befragung (wenn nicht: Verhör!) sitzt.
Ich hoffe, die Sauron-Kraft, die aus niedlichen Blässhühnern mordlustige Orks gemacht hat, verdünnt sich rasch. Sonst muss ich es tun - dabei war alles ein Versehen!
"Das Blässhuhn ist besonders gegenüber Artgenossen aber auch anderen Vogelarten recht aggressiv. Besonders zur Brutzeit verscheuchen die Vögel alles was ihrem Nest nahe kommt. Unter Artgenossen kommt es dabei immer wieder zu Revierkämpfe. Auch gegen die Jungen von Artgenossen gehen die Blässhühner aggressiv vor. Die Jungen können dabei sogar ertränkt oder totgehackt werden."
https://www.nicolas-stettler.ch/de/voegel-der-schweiz/blaesshuhn
@samojede: Ich hoffe, das wird sachlich, nüchtern und objektiv ermittelt. Vorgeschichte, mildernde Umstände, alles. Oft wird der Schuldige am falschen Ende der Kette vermutet.
https://www.brodowski-fotografie.de/beobachtungen/moewen-im-winter.html
Alles Gute & Mütze auf
🤠
@samojede: Hier ist immer viel Massenkeilerei auf dem Kanal. Vorneweg warten ja noch die Gänse, aber gegen die stinkt keiner an. Die Tauben brauchen ab und an Zuspruch und halten sich ansonsten raus, die Krähen spielen ihr eigenes Spiel.