Um 1882: Eine Birne verspricht glühende Landschaften
Ich muss meine langwierigen Betrachtungen über Brüssel im Zwielicht kurz unterbrechen, um ein Licht auf eine Erfindung des 19. Jahrhunderts zu werfen, die die Welt buchstäblich erhellte: die Glühbirne. Am 1. Oktober wurde weltweit der Change-a-Lightbulb-Tag gefeiert, ein Birnchen-wechsel-dich-Tag, der zum Energiesparen aufrufen soll (Es ist natürlich auch ein Tag für allerlei schmale Witze à la "Wieviele Blogger braucht man, um eine Glühbirne zu wechseln?" usw.).
Werbeprospekt für die elektrische Glühbirne um 1882
Erfunden hat das kleine Zimmerwärmewerk bekanntlich nicht etwa Thomas Alva Edison um 1880, der hat es wie so viele seiner "Erfindungen" nur "vorgefunden" und "verbessert". Oder sagen wir so: Zum Patentamt hatte er kurze Wege. Um 1875 bis 1880 herum kamen jedenfalls mehrere Erfinder (auch in Deutschland) zeitgleich auf die Idee einer Glühlampe mit hochohmigen Glühdraht, was einige technische Vorteile bot. Einige Entwürfe und Prototypen wurden auch auf der Pariser Weltausstellung 1878 vorgestellt - zusammen mit dem Eiffelturm, weshalb dieser auch bis heute elektrisch beleuchtet ist. Seither hieß es - in besser gestellten Häusern zunächst - "Es werde Licht", und es ward Licht.
Arbeiterin in einer Glühbirnen-Reparaturwerkstatt, die im viktorianischen London bald wie Pilze aus dem Boden schossen
Wie immer bei neuen Moden gab es im viktorianischen Zeitalter einen allzu menschlichen Hang zum Exzess. Manche wollten sich nicht länger "gaslichten" lassen und hängten sich nun die Zimmer übertrieben voll mit Glühbirnen, brachten Licht ins Dunkle und Dämmrige, vertrieben erst die Schatten, dann die Triebe, fingen massenhaft an zu lesen und in der Folge an, Ideen zu entwickeln.
Neben der für ihre anzüglichen Posen beliebten "French Card" wurden auch Karten aus dem Genre "das elektrische Schlafzimmer" eifrig gehandelt
Die Glühbirne wurde zum Accessoire de Jour, fand mit ihrem wendelförmigen Gedrahte Einzug in Mode und Schmuckornamentik, (die halbe Welt des späteren Art deco basierte nicht von ungefähr auf dem gezielten Einsatz von Licht) und galt ganz allgemein als Statussymbol. "Darf ich ihnen zu Hause meine Glühbirne zeigen?" lockte so manches unterbelichtete Fräulein und hin und wieder auch den ein oder anderen naiv gedimmten Herren in wenn auch nur schummrig beleuchtete Bedrängnis (anders als heute üblich hatte man natürlich keine 100-W-Strahler als Nachttischlampe). Kurz: die Welt war elektrifiziert und zeigte dies gerne.
1905 kam es zur ersten bekannten Wahl einer "Miss Glühbirne"
Lange vor der Neuen Sachlichkeit fand die Glühbirne bereits als strahlend in Szene gesetztes Objekt der Begierde Einzug in die Welt der Fotografie. Nach dem augenzwinkernden Motto "Mit Magnesiumblitzen auf Glühbirnen!" wurden waren Lichterfluten inszeniert, und in den nur im Halbdunkeln gehandelten freizügigen Pin-up-Katalogen dieser Zeit fanden sich leicht bekleidete Damen in freizügigen Posen im Schein von glimmenden Kohlefaserdrähten.
Um 1900 bereits wurden zur Weihnachtszeit Karten mit festlicher Glühbirnendekoration an die Liebsten verschickt